Simbabwe hat wenig Grund zum Feiern
30 Jahre nach der Unabhängigkeit ist aus dem einstigen Vorzeigestaat ein Problemkind geworden
1980 verblüffte der »radikale Marxist« Robert Mugabe seine Kritiker im Westen. Mit seiner Politik der Aussöhnung und einer zurückhaltenden Wirtschaftspolitik galt er bald als Hoffnungsträger einer pragmatischen postkolonialen Entwicklung. Konflikte zwischen seiner Afrikanischen Nationalunion Simbabwes ZANU (PF) und der rivalisierenden Afrikanischen Volksunion (ZAPU) eskalierten jedoch in Matabeland im Westen des Landes. Mugabes Truppen gingen dort brutal gegen die Bevölkerung vor, Tausende von Menschen wurden getötet.
1987 schien dieser Konflikt mit der Vereinigung von ZANU und ZAPU überwunden. Der Prozess des Nationenaufbaus machte bis Mitte der 90er Jahre Fortschritte, das Land erwarb sich Respekt und Ansehen. Mugabe konnte jedoch die Gratwanderung zwischen proklamierten »sozialistischen« Zielen und den Zwängen einer Politik wirtschaftlicher Stabilität nicht durchhalten. Ökonomische Realitäten ließen ihm immer weniger Spielraum, ein Strukturanpassungsprogramm von Weltbank und Internationalem Währungsfonds zwang zur Kürzung von Sozialleistungen. Die für Simbabwe sehr wichtige Landreform war ungenügend vorbereitet, schlecht organisiert und blieb in ihren Anfängen stecken.
1997 begann mit einem Kurssturz des Simbabwe-Dollars, ausgelöst durch umfangreiche Zahlungen an 50 000 Veteranen des Befreiungskampfes, der Niedergang der Wirtschaft. Die Landfrage wurde nun machtpolitisch instrumentalisiert – mit Farmbesetzungen und willkürlichen Enteignungen weißer Farmer. Großbritannien stoppte daraufhin zugesagte Finanzmittel. Die Schwächung der Landwirtschaft beschleunigte den Niedergang des Landes.
Ähnlich irrational und machtpolitisch motiviert wurden 2005 Armenviertel in Harare als »illegale Siedlungen« zerstört. Das Land mit einer relativ entwickelten Wirtschaft wurde ökonomisch zugrunde gerichtet bis hin zur welthöchsten Inflationsrate und 80 Prozent Arbeitslosigkeit. Simbabwe wurde eine Autokratie, Repression und Polizeiwillkür galten vor allem der oppositionellen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC). Mugabe verstand es immer wieder, politische Gegner und auch Fraktionen der eigenen Partei gegeneinander auszuspielen und ging dabei stets als Sieger hervor.
2008 errang seine Partei bei Parlamentswahlen erstmals keine Mehrheit und musste einer Regierung der nationalen Einheit zustimmen, die aber erst im Februar 2009 zustande kam – mit Robert Mugabe als Präsident und Morgan Tsvangirai von der MDC als Premierminister. Sie funktioniert mehr schlecht als recht. Bis Ende 2010 soll eine neue Verfassung erarbeitet und 2011 durch ein Referendum bestätigt werden, dem freie Wahlen folgen.
Die Einheitsregierung brachte für die Menschen zunächst Verbesserungen. Die Gewalt nahm dramatisch ab, politische Reformen brachten unter anderem mehr Freiheit für die Medien. Die Inflation sank drastisch, Preise wurden stabilisiert, das Warenangebot deutlich verbessert. Die Wirtschaft erfuhr einen bescheidenen Aufschwung, aber Auslandshilfe gab es nicht im erhofften Umfang. Vor allem Kredite sind rar, 2009 gewährten Südafrika und China 35 Millionen Dollar, langfristig werden 10 Milliarden für den Wiederaufbau benötigt. Der Westen macht weitere Hilfe von politischen Reformen abhängig. Auch Südafrika drängt auf die Beschleunigung der Reformen, anderenfalls seien die 2011 vorgesehenen Wahlen gefährdet.
Immerhin gab es nun Kompromisse zu lange umstrittenen Personalfragen. Zudem wurden eine Menschenrechts- und eine Wahlkommission mit international respektierten Vorsitzenden ernannt. Und selbst der Streit um ein Gesetz zur stärkeren Afrikanisierung ausländischer Unternehmen scheint beigelegt. Das Gesetz, demzufolge alle Firmen künftig mindestens zu 51 Prozent schwarzen Simbabwern gehören müssen, sei von der Koalitionsregierung für »null und nichtig« erklärt worden, berichtete Staatsminister Gorden Moyo am vergangenen Dienstagabend nach einer Kabinettssitzung in Harare. Wirtschaftsexperten hatten bei einer Umsetzung des Gesetzes eine endgültige Abwanderung der Weißen und Inder sowie ein Versiegen der ohnehin spärlichen Auslandsinvestitionen befürchtet.
Die Menschen in Simbabwe haben derweil andere Sorgen, viele leben in tiefer Armut. 2,17 Millionen benötigen Nahrungsmittelhilfe, vier Millionen haben das Land verlassen. Es gibt zum Jubiläum kaum Grund zum Feiern – vom hoffnungsvollen Neubeginn 1980 ist wenig geblieben.
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