Missbrauch der Pädagogik
Die Aufdeckung zahlreicher Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern in katholischen Einrichtungen wie auch in der Odenwaldschule haben in den vergangenen Monaten jeden erschüttert, der sich für Menschlichkeit engagiert. Besonders die Vorfälle an der Odenwaldschule wirkten für reformpädagogisch orientierte Pädagogen wie ein Schlag vor den Kopf. »Als wenn man von einem Missbrauch in der eigenen Verwandtschaft erfahren hätte«, schilderte Hans Brügelmann, Sprecher des reformpädagogischen Netzwerks »Blick über den Zaun«, sein Empfinden.
Dass ein solches Verbrechen an einer reformpädagogischen Schule passierte, hat allerdings nichts, gar nichts, mit der oft unterstellten Kuschelpädagogik zu tun. Manche Kommentare zur Odenwaldschule versuchen den Eindruck zu erwecken, Reformpädagogik sei sektiererisch, mit Predigern und Anspruch auf die absolute Wahrheit. Das ist ein Zerrbild derer, die Schule gerne als Einrichtung der puren Qualifikationsvermittlung darstellen, in der sich die Lehrer-Schüler-Beziehung auf die Beschäftigung allein mit dem Stoff reduziert. Doch Bildung vollzieht sich nun einmal in persönlichen Beziehungen und kann ohne sie nicht gedacht, geplant und gestaltet werden.
Dass Problem liegt viel mehr darin, dass manche Einrichtungen eher als andere Abhängigkeiten aufweisen und von der Tabuisierung des Beziehungsgeschehens geprägt sind. Wo Erwachsene heimlich mit Kindern zu tun haben können und daher die Gefahr gering ist, dass den Kindern geglaubt wird, was der Erzieher oder gar der Heimleiter Ungeheuerliches getan haben, wird dem Missbrauch strukturell Vorschub geleistet.
Wir brauchen im pädagogischen Feld vor allem Prävention. Schließlich ist die vertrauensvolle Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern Voraussetzung für gelingende Bildung und Erziehung. Es muss möglich bleiben, dass ein Lehrer mit einer Schülerin oder einem Schüler unter vier Augen über Probleme sprechen kann.
Der Autor ist Diplom-Pädagoge und Bundesvorsitzender der »Aktions Humane Schule e.V.«
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