Pariser Blaupause für Migrationspolitik

Neuer Gesetzesvorschlag soll als Vorbild in EU dienen / Erleichterte Abschiebung angestrebt

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreichs Einwanderungsminister will das Vorgehen gegen »illegale Migranten« abermals verschärfen.

Das Flugverbot nach dem isländischen Vulkanausbruch hatte auch sein Gutes, meinte dieser Tage ein Humorist im Radio. Denn dadurch konnten vorübergehend keine Ausländer abgeschoben werden. Das Thema ist in Frankreich ständig aktuell. Immer wieder gibt es empörte Reaktionen in der Öffentlichkeit, wenn die Medien einen Einzelfall publik machen und dabei deutlich wird, wie inhuman Gesetze und Vorschriften sind und wie borniert sie umgesetzt werden.

So ging kürzlich im Departement Loiret eine 18-jährige Marokkanerin zur Polizei, um Anzeige gegen ihren älteren Bruder zu erstatten, der sie brutal schlägt. Schließlich ruft die Regierung immer wieder dazu auf, Gewalt gegen Frauen nicht hinzunehmen, sondern sich zu wehren und auf den gesetzlich zustehenden Schutz zu pochen. Doch das interessierte die Polizisten überhaupt nicht, sondern nur, dass das Mädchen keine gültigen Papiere hatte und ein Abschiebeurteil vorlag. Der Präfekt wurde eingeschaltet, dieser ordnete die sofortige Ausweisung an. Das Mädchen fand sich schon Stunden später in Marokko wieder, wo es zwar geboren wurde, aber keinerlei familiäre Bindungen hatte.

Glücklicherweise reagierten ihre Mitschülerinnen und schalteten eine Menschenrechtsorganisation ein, die sich in Marokko um das Mädchen kümmerte und in Frankreich die Öffentlichkeit alarmierte. Die Empörung war so groß, dass Präsident Nicolas Sarkozy persönlich anwies, das Mädchen zurückzuholen und ihm gültige Papiere auszustellen. Die Rückkehr nach Frankreich gestaltete sich zu einem Triumph; der Präfekt trat von seinem Posten zurück.

Selten gehen solche Fälle so gut aus. Fast 30 000 illegal eingereiste Ausländer wurden im vergangenen Jahr in ihre »Heimat« abgeschoben. Die »Regularisierung«, die nach vielen Jahren Aufenthalt und Arbeit in Frankreich möglich ist, wird nur selten und äußerst willkürlich gewährt. Dabei plädieren nicht nur die linke Opposition und die Gewerkschaften für eine solche Möglichkeit, sondern sogar die Unternehmerverbände, weil Wirtschaftszweige wie Bauwesen, Hotellerie und Gastronomie oder das Reinigungsgewerbe ohne die billigen und zudem motivierten Arbeitskräfte nicht mehr auskommen könnten. Trotzdem hat der vom Sozialisten zum Sarkozy-Anhänger gewendete Einwanderungs- und Integrationsminister Eric Besson jetzt den Entwurf für ein verschärftes Gesetz über Einreise und Aufenthalt vorgelegt. Es ist schon das fünfte zu diesem Thema in nur sechs Jahren. Doch diesmal will Besson seinen Text nicht nur so schnell wie möglich in Frankreich beschließen und in Kraft treten lassen, sondern er will das Gesetz auch seinen Ministerkollegen in der EU als Muster ans Herz legen und so für eine europaweite Vereinheitlichung des Vorgehens gegen unerwünschte Zuwanderer sorgen.

So soll es dem neuen Gesetz nach einem einmal abgeschobenen Ausländer fünf Jahre lang unmöglich gemacht werden, in irgendeinem EU-Land ein Visum zu bekommen und legal einzureisen. Allen Unternehmen, die Ausländer ohne gültigen Aufenthaltspapiere beschäftigen, droht von Amts wegen die Schließung. Den von Abschiebung bedrohten Ausländern soll es durch das Gesetz auch schwerer gemacht werden, sich an die Justiz zu wenden und Einspruch zu erheben.

Gegenwärtig wird jeder dritte »illegale« Ausländer, gegen den ein Ausweisungsbeschluss vorliegt, tatsächlich abgeschoben. Bei einem weiteren Drittel ist die Staatsangehörigkeit unklar, oder ihr Herkunftsland verweigert die »Rücknahme«. Das letzte Drittel hat Erfolg vor Gericht und muss auf Weisung der Richter freigelassen werden. Dem soll künftig ein Riegel vorgeschoben werden.

Andererseits winkt das Gesetz auch mit einer Erleichterung der legalen Einreise, allerdings nur für hoch qualifizierte Fachleute, die die französische Wirtschaft braucht. Jenen soll nach den Vorstellungen Bessons eine in der ganzen EU gültige »Blue Card« – vergleichbar der »Green Card« in den USA – ausgestellt werden können, die drei Jahre gültig ist und mehrmals verlängert werden kann.

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