Warnung vor dem Eisenerz-Kartell
Stahlkocher, Politiker und Gewerkschaften befürchten massive Preissteigerungen
Ein Gespenst geht um unter den Stahlkochern weltweit: Spekulation. Industrievertretern bricht der kalte Schweiß aus, wenn über das Szenario gesprochen wird, nach dem auch Eisenerz künftig im großen Stil an der Börse gehandelt werden könnte. Die Preisschwankungen von Nickel, Blei und Co., die an den Rohwarenbörsen gehandelt werden, sind deutlich größer als beim Eisenerz.
Das hat dafür gesorgt, dass das Geschäft mit Stahl lange Jahre gut zu kalkulieren war. Langfristige Lieferbeziehungen zwischen wenigen Anbietern und wenigen Abnehmern prägten das Geschäft und die Preise waren über Dekaden relativ stabil. Schnee von gestern, denn der Erzpreis klettert und die drei großen Erz-Lieferanten wollen dem Markt neue Konditionen aufzwingen. Da sie rund 70 Prozent der Produktion kontrollieren, ist das ein Leichtes. Bisher lieferten sie die Rohware für Stahl und Eisen auf der Basis von Jahreskontrakten – nun sollen es Quartalskontrakte sein, wie der brasilianische Bergbaukonzern Vale den Kontraktpartnern von Nippon Steel in die Blöcke diktierte.
Grund genug, dass vielerorts die Alarmglocken schrillen. Industrieverbände, Autohersteller als Großabnehmer der Produkte aus den Hochöfen und ganze Regionen befürchten, dass sie zum Spielball der großen Drei werden. Sollten die sich absprechen, um ihre Marktmacht voll auszuschöpfen, müssten die Stahlkocher die Zeche zahlen, denn für die wird es immer schwieriger, die Preise für ihr Endprodukt zu kalkulieren. So warnte Ian Christmas, Generalsekretär des Weltstahlverbandes, unlängst, dass es keinen freien Wettbewerb mehr gebe. Ins gleiche Horn bläst der europäische Verband Eurofer und auch an deutschen Stahlstandorten ist Unruhe ausgebrochen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mahnte »ein nationalen Rohstoffkonzept« an. Die Gewerkschaften weisen darauf hin, dass zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Eine ungewöhnliche Allianz, die auch auf die »Konzentration auf den internationalen Rohstoffmärkten« aufmerksam machte.
Die ist in den letzten Jahren weit vorangeschritten. In den Zeiten der Krise wurden die Produktionskapazitäten heruntergefahren und Investitionen zurückgestellt. Auch ein Grund, weshalb der weltweite Rohstoffhunger derzeit nicht immer gestillt werden kann. Steigende Preise sind die Folge und einige Industriemetalle wie Silber, die an Börsen gehandelt werden, haben bereits wieder das Niveau von vor der Krise erreicht – oder wie Nickel und Zink sogar überschritten. Bei andern Industriemetallen wie Kupfer ist es nur eine Frage der Zeit, bis es so weit ist.
Auch deshalb blickt die deutsche Industrie vermehrt nach Lateinamerika, wo China seit Jahren Claims absteckt und investiert, um seinen Rohstoffbedarf auch langfristig zu stillen. Ähnliche Initiativen sind in nächster Zeit auch von Deutschland zu erwarten. Aber vorerst sollen die Kartellbehörden aktiv werden und die drei Elefanten sowie ihr Geschäftsgebaren unter die Lupe nehmen.
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