Griechische Stimmung im Keller
Gewerkschaften und Opposition kritisieren Hilfsgesuch der Regierung
Die Stimmung der griechischen Bevölkerung ist »im Keller«. Nach einer am Freitag bekannt gegebenen, im Februar durchgeführten Umfrage im Auftrag des Gewerkschaftsdachverbandes in der privaten Wirtschaft (GSEE) trauen 67 Prozent der Wähler keiner Partei zu, Lösungen zu finden. Nur 19 Prozent glauben, die Regierungspartei PASOK könnte die Krise bewältigen. Dies hat sich wohl auch nach Auslösung des Stützungsmechanismus am Freitag nicht geändert. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage glauben 91 Prozent der Befragten, der IWF werde auf neue Einschnitte drängen, über 90 Prozent befürchten einen Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut und die Schließung von Betrieben. Drei Viertel sind der Ansicht, die Krise werde sich über lange Jahre hinziehen. Gleichzeitig sanken die Vertrauenswerte von Ministerpräsident Giorgos Papandreou und Finanzminister Giorgos Papakonstantinou stark. Soziale Unruhen erwarten 71 Prozent der Befragten, 56 Prozent rechnen mit einer Abwanderungswelle.
Während Papandreous Bitte um Hilfe von Unternehmerverbänden begrüßt wurde, hagelte es Kritik von Opposition und Gewerkschaften. Griechenland verfüge über »die Methoden, die Mittel und die Menschen, um aus eigener Kraft aus der Krise zu kommen«, so der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Nea Dimokratia, Antonis Samaras. Er warf der PASOK vor, das Land seit der Wahl im Oktober 2009 planlos zu regieren.
Als von langer Hand geplant bezeichnete die Kommunistische Partei, KKE, die Hinwendung zu EU und IWF. Deren einziges Ziel sei es, »den langfristigen Interessen der griechischen Plutokratie zu dienen und der Regierung eine starke Stütze zu geben, damit sie neue brutale Maßnahmen zu Lasten des Volkes ergreifen kann«. Die Regierung habe das Land an den Abgrund gebracht, sagte der Vorsitzende der Linkspartei Synaspismos, Alexis Tsipras, und sprach der PASOK die Legitimation ab, eine derartige Entscheidung zu fällen. Synaspismos forderte, die Anrufung von EU und IWF einer Volksabstimmung zu unterziehen.
Nach Bekanntwerden des Hilfsgesuchs rief die »Koordination der Basisgewerkschaften im öffentlichen und privaten Sektor« zu einer Demonstration vor den EU-Büros in Athen auf. Dem Aufruf zur »Demonstration gegen das Gemetzel des IWF, der Entlassungen, die Auflösung der Rechte bei Arbeit und Sozialversicherung und den Ausverkauf des öffentlichen Reichtums fordert« folgten am Freitag etwa 3000 Menschen. »Die Lohnabhängigen werden ihren Kampf gegen die volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung, der EU und des IWF fortsetzen und zuspitzen«, so der Gewerkschaftsdachverband im öffentlichen Dienst, ADEDY. Er rief zu einer Demonstration am Dienstag auf.
Nur der von der regierungsnahen Gewerkschaftsfraktion PASKE geführte GSEE, hält sich zurück. Dessen Vorsitzender Giannis Panagopoulos ließ zwar verkünden, die Gewerkschaften hätten die Pflicht, »inmitten beispielloser und widriger Umstände die Beschäftigung und die Rechte der Lohnabhängigen verteidigen«, rief aber nicht zu Protesten auf. Die GSEE verzichtet sogar schon das zweite Jahr auf Aktionen am 1. Mai.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.