Ein staatliches Insolvenzrecht ist möglich und nötig

Mit Griechenland ist erstmals ein Staat mit einer harten Währung von der Pleite bedroht

Jamaika war wieder einmal am Schnellsten: Mitte Januar legte die Karibikinsel als erstes Land im Jahr 2010 einen veritablen Staatsbankrott hin – technisch zumindest, denn juristisch können Staaten mangels rechtlicher Regelungen nach wie vor nicht pleite gehen. Die Vision eines fairen, staatlichen Insolvenzverfahrens von Attac ging nicht in Erfüllung, dabei liegt die Notwendigkeit dringlicher auf der Hand denn je – ob Griechenland oder Jamaika.

Die technische Definition eines Staatsbankrotts ist gegeben, wenn ein Staat seinen Schuldendienst (fällige Zins- und Tilgungsraten) teilweise nicht mehr leisten kann oder will. Von nicht wollen konnte und kann bei Jamaika keine Rede sein: Noch nie blieb das Land bis dato eine Staatsanleihe schuldig – und das, obwohl derzeit unfassbare 65 Prozent des Staatshaushaltes zur Schuldenbedienung verwendet werden. Das ist Weltrekord und das sind Finanzmittel, die für Bildung und Soziales fehlen. Bisher ist es Jamaika nicht gelungen, die Mitte Januar angestrebte Teilumschuldung im Einvernehmen mit den Gläubigern unter Dach und Fach zu kriegen.

Jamaika gehört zu den Entwicklungs- und Schwellenländern, deren Überschuldungssituation sei Jahren entwicklungspolitische Organisationen wie Attac oder erlassjahr.de dazu bewogen haben, ein Insolvenzverfahren zu fordern. In diesem Sinne hat die Krise in Griechenland ein Gutes: Erstmals stellt sich die Frage einer drohenden Staatspleite in einem Hartwährungsland, wenngleich Griechenland nicht Souverän des Euro ist, nicht wie andere Hartwährungsländer wie die Schweiz, USA, Japan oder die Bundesrepublik Deutschland zu D-Mark-Zeiten über eine eigene Zentralbank und Notenpresse verfügt, sondern seine Euro über Anleihen am Kapitalmarkt einsammeln muss. Eben das, was nun wegen der Herabstufung der griechischen Kreditwürdigkeit auf Ramsch-Anleihen nahezu ausgeschlossen ist. Solche extrem risikoreichen Anleihen kaufen bestenfalls Spekulanten.

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde die Insolvenzrechtsdiskussion nach der Pleite Argentiniens 2001/2002 vorangetrieben, freilich bis dato ohne konkretes Ergebnis. Die Bundesregierung hat sich zuletzt vergangenes Wochenende bei der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF in Washington für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen und selbiges im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert.

Für erlassjahr.de ist der Fall Griechenland ein Grund mehr, nun endlich ein staatliches Insolvenzrecht zu schaffen: Ein solches Verfahren könnte einen gerechten Ausgleich zwischen dem Schuldnerland und seinen Gläubigern herstellen und die Interessen der betroffenen Bevölkerung wahren. Wie in jedem privaten Insolvenzverfahren wären auch hierbei die Investoren, die in Erwartung hoher Renditen in griechische Papiere investiert haben, angemessen an den Kosten für die Insolvenz beteiligt. Diese Forderung war zuletzt auch vom Bundesfinanzminister und sogar aus Kreisen privater Banken erhoben worden.

Laut dem Bündnis erlassjahr.de befinden sich derzeit weltweit 36 Entwicklungs- und Schwellenländer in einer Situation kritischer Überschuldung. Argentinien half sich einst selbst: Nach dem sonst nur vom IWF bekannten Motto »Friss oder stirb« bot der »Insolvenzverwalter«, Präsident Néstor Kirchner, den privaten Anlegern 2005 an, entweder auf 75 Prozent ihrer sich auf 104 Milliarden US-Dollar belaufenden Forderungen zu verzichten oder ganz leer auszugehen. Die Rechnung ging für Argentinien zu 80 Prozent auf.

Ein Insolvenzverfahren hätte Argentiniens Vorgehen verhindert und wäre ein Baustein einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung. Die Notwendigkeit einer Generalüberholung ist davon freilich unbenommen.

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