Opfer lehnen ihre Gedenkstätte ab
Verfolgte der NS-Militärjustiz tragen den Erinnerungsort am Fort Zinna in Torgau nicht mit
Es hätte der Tag werden sollen, an dem Ludwig Baumanns jahrelanger Kampf belohnt wird. Statt dessen war der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der Wehrmachtsjustiz gestern nach Torgau gekommen, um »einer traurigen Stunde« beizuwohnen. Zwar wurde vor den Mauern von Fort Zinna, in dem sich eines der schlimmsten Gefängnisse der NS-Militärjustiz befand und in dem auch Baumann als Deserteur zeitweilig inhaftiert war, ein Erinnerungsort eingeweiht, der an seine und die Leiden seiner Kameraden erinnern soll. Doch Baumann trübte den Gästen die Feststimmung: »Wir werden die Gedenkstätte nicht mittragen«, sagte der 88-Jährige: »Sie ist ein Schandmal«.
Damit fand der Streit um die Gestaltung des Ortes, der bereits seit 2007 die Einweihung verhindert hatte, einen vorläufigen Tiefpunkt. Hintergrund ist, dass die Anlage nicht nur an die Opfer der NS-Militärjustiz erinnert, die mit der Verlegung des Militärgerichtshofes nach Torgau ab 1943 hier ihre Zentrale hatte, sondern auch an die Insassen und Opfer zweier sowjetischer Speziallager, die 1945 in Fort Zinna eingerichtet wurden. Es gebe eine »überkomplexe Gemengelage«, sagte Sabine von Schorlemer, parteilose Wissenschaftsministerin und Stiftungsratsvorsitzende in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Daher gab es ein »schwieriges Ringen um die Angemessenheit der Gestaltung«.
Dies bezog sich unter anderem auf Forderungen Baumanns nach einer deutlichen Trennung der Gedenkstättenbereiche – die jetzt gepflanzte Buchenhecke erfüllt diesen Wunsch nur unzureichend.
Hintergrund ist, dass in den Speziallagern auch Kriegsrichter und Mitglieder von Gestapo und SD inhaftiert waren, die für die Verfolgung seiner Kameraden verantwortlich gewesen seien, sagt Baumann.
Auf den Informationstafeln müsse dieser Umstand benannt werden, hatte er immer wieder gefordert. Auf der gestern eingeweihten gläsernen Platte fehlt nicht nur eine entsprechende Formulierung, auf die sich der Opferverband mit einem Vertreter des Stiftungsrates im März geeinigt hatte. Sie enthält mit der Angabe 1998 sogar eine Jahreszahl für die Aufhebung der Urteile der Kriegsgerichte, von der lange bekannt ist, dass sie falsch ist: Eine pauschale Aufhebung beschloss der Bundestag erst 2009.
Bei der Stiftung wird zwar betont, die korrekte Jahreszahl werde sich auf einer Tafel finden, die derzeit hergestellt werde: Sie sei in drei bis vier Wochen fertig, sagte Geschäftsführer Siegfried Reiprich auf Nachfrage. Der Text zu den Kriegsrichtern habe aber zwischen den Opferverbänden nicht mehr abgestimmt werden können. Die Eröffnung nannte er einen »großartigen Tag«. Der Gedenkort werde wirken – »egal, welcher Streit noch geführt werden muss«.
Damit rechnet auch Baumann – und kritisiert um so heftiger, dass Tafeln »voller Unwahrheiten und falscher Fakten« übergeben würden. An nachträgliche Korrekturen glaubt er nicht mehr: »Uns wurde schon so viel versprochen.« Er erinnert an den ungelösten Konflikt um die Dauerausstellung im Torgauer Schloss. Obwohl in der Stadt einem Beschluss des Bundestages zufolge der Schwerpunkt des Gedenkens bei den Opfern der NS-Militärjustiz liegen sollte, werde die Ausstellung von Texten und Bildern zur sowjetischen Besatzungszeit und der DDR dominiert – wie kaum anders zu erwarten in einem Bundesland, dessen Erinnerungspolitik auf »Diktaturvergleich« gerichtet ist. Demonstranten erklärten dazu gestern auf einem Transparent: »Das Problem heißt NS-Relativierung«.
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