Ein zweiter Blick lohnt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen bietet wohl noch eine Weile den Stoff, aus dem Politkrimis gebastelt werden. Einen Tag nach der Wahl bietet sich dem neugierigen Zuschauer ein Bild, das immer erst auf den zweiten Blick seinen eigentlichen Kern enthüllt. Das beginnt schon beim vermeintlich klarsten Ergebnis: Der numerische Wahlsieger heißt CDU, mit einem Zehntel liegt man vor der SPD. Freilich verführt ein Absturz gegenüber der Wahl von 2005 von über zehn Prozent nicht einmal hartgesottene CDU-Anhänger zum Schluss, Wahlsieger sei die CDU.

Der heißt in der Analyse der meisten Betrachter SPD – vor allem im Urteil der SPD selbst. Doch auch dies ist ein beschönigendes Urteil. Denn die SPD hat nicht nur gegenüber der CDU den (knapp) schlechteren Einlauf gehabt, sondern ihr Ergebnis von 34,5 Prozent liegt noch hinter dem der Landtagswahl von 2005, als die SPD 37,1 Prozent erreichte. Damals kam dies einer Katastrophe gleich – im Vergleich zu 2000, da die SPD noch 42,8 Prozent erzielte – und führte direkt in die Opposition. Die SPD-Führung hat sich jetzt darauf verlegt, ihr Wahlergebnis vom Sonntag nicht an den Realitäten, sondern an den im Vorfeld vorausgesagten Einbrüchen zu messen, abenteuerliche Optimisten ziehen das Ergebnis der Europawahl 2004 zum Vergleich heran, als die SPD in NRW bei 25,7 Prozent landete. Insofern hat Guido Westerwelle mit seiner Klage Recht, dass die SPD, die ihr seit über 50 Jahren schlechtestes NRW-Ergebnis einfuhr, sich als Wahlsieger gebärde. Die FDP habe sogar ein leicht verbessertes Ergebnis erreicht. Allerdings: Gemessen an ihrem Bundestagswahlergebnis von 14,9 Prozent 2009 ist die FDP schwer eingebrochen.

Die Sozialdemokraten profitieren allein davon, dass sie jetzt über die größten Handlungsspielräume bei der Bildung einer neuen Regierung verfügen. Doch da es für Rot-Grün nicht reicht, ergibt das kleine Einmaleins: Entweder man lässt sich auf eine Große Koalition mit der CDU ein, was dem Wählerwillen Hohn sprechen würde. Spannend wäre hier allein die Frage nach dem künftigen Ministerpräsidenten. Hannelore Kraft hat ihre Absicht verkündet, neue Regierungschefin zu werden – dafür müsste Jürgen Rüttgers ihr Platz machen. Oder die SPD sucht, da eine Koalition mit den Grünen keine Mehrheit ergibt, die Kooperation auch mit der LINKEN. Das Dilemma der SPD 2008 in Hessen wäre die Folge: Nach Unvereinbarkeitserklärungen folgte der (vergebliche) Versuch einer Liaison.

Neben den Grünen, die ihr Ergebnis gegenüber der Landtagswahl 2005 nahezu verdoppeln konnten, ist es allein die Linkspartei, die auf einen klaren Erfolg verweisen kann. Sie schafft den Einzug ins Landesparlament und verbessert das Ergebnis ihrer Vorgängerparteien PDS und WASG (insgesamt 3,1 Prozent) um 2,5 Prozent. Zugleich lohnt auch hier der zweite Blick: Ungeachtet des Erfolgs hat die Linkspartei gegenüber ihrem Ergebnis von der letzten Bundestagswahl Stimmen verloren, als sie noch auf 8,4 Prozent kam. Akribische Soziologen haben ausgerechnet, dass dies einem Verlust von 356 000 Stimmen gleichkommt.

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