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Für einen Pakt der Völker
Lieber Anton,
ich möchte euch für die pfälzische Gastfreundschaft danken, die ihr uns am ersten Maiwochenende zukommen lassen habt. Wir, Belgier, Franzosen, Österreicher und Deutsche, werden diese Tage bei euch in Odernheim an der Glan nicht vergessen. Wir berieten über eine Gesellschaft, in der die Völker in Frieden zusammenleben, in der sie aber auch ein kollektives Recht auf ihre gemeinsamen Güter haben, beispielsweise auf ihr Territorium, auf die Bodenschätze ihres Landes, auf ihre historisch-kulturelle Identität. Kollektives Recht auf kollektive Nutzung, Verteilung und Verbrauch der gemeinsamen Güter – so wie es eigentlich auf unserem Planeten mit der Luft, dem Wasser und den lebenswichtigen Mineralien geschehen sollte, die sich die Menschen mit den anderen biologischen Lebensformen teilen müssen.
Gemeinsame Güter – ob materielle oder immaterielle – wurden den Völkern entweder von der Natur geschenkt oder entstanden durch gemeinsames, kollektives Schaffen oder durch gemeinsam abgegebene Steuern. Auf ihre Nutzung, ihre Verteilung und ihren Gebrauch sollte folglich jedes Volk ein kollektives Recht haben. In der heutigen europäischen Gesellschaft gibt es nur eine Charta der individuellen Grundrechte; kollektive Rechte wurden fast nirgends auf unserem Erdball festgeschrieben. Ihre Durchsetzung aber würde den globalisierten Finanz- und Wirtschaftskonzernen Grenzen für ihr skrupelloses Profitstreben setzen. Dieses Anliegen steht sogar in Übereinstimmung mit der zentralen Forderung, die im Grundgesetz Deutschlands festgeschrieben ist: Alle Macht geht vom Volke aus.
Auf die wesentlichen inhaltlichen Punkte unseres gemeinsamen Vorhabens konnten wir uns recht schnell einigen. Gemeinsam suchten wir bei unseren Beratungen in Odernheim nach einem alternativen Gesellschaftsmodell. Mit einer Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen und einer Bürgerkontrolle der politischen Macht, die sich bisher nach den Wahlen meist verselbstständigt und hauptsächlich das Anliegen verfolgt, die Interessen der Wirtschaft und des Kapitals durchzusetzen. Wir gründeten eine »Europäische Bewegung für eine Union der solidarischen Völker«, überzeugt davon, bald in allen Ländern genügend Mitstreiter zu haben, die ihrerseits ihre Parlamente auffordern, zugunsten eines »Paktes der Völker über gemeinsame Güter und kollektive Rechte« zu stimmen. Wir beginnen in Europa, um hier die jetzige Europäische Union zu einer Union der Bürger und der solidarischen Völker umzugestalten. Aber wir sind davon überzeugt, dass auch die Völker anderer Kontinente sich diesem Pakt der Völker anschließen wollen – und werden.
Es schien uns selbst zuerst etwas utopisch, aber bereits heute gibt es zahlreiche Persönlichkeiten aus europäischen Ländern, die unser Projekt unterstützen. Prof. Jean Ziegler aus der Schweiz; Prof. Jacques Tenier und Bernard Sordet aus Frankreich, die Deutschen Friedrich Schorlemmer und Katja Kipping, um nur einige zu nennen, gehören dazu. Viele Vereine in Europa arbeiten dem Katalog der gemeinsamen Güter zu. Schaut euch doch einfach auf unserer Webseite european-citizens-network.eu/usp-de an, wie weit unsere Projekt schon gediehen ist.
Euer Horst
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