- Politik
- Personalie
Janusköpfig
Baltasar Garzón / Spaniens Ermittlungsrichter Nr. 1 wurde vom Dienst suspendiert
Einfach liegt die Sache nicht: Spaniens berühmtester Ankläger, Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, wird selbst zum Angeklagten. Der Oberste Gerichtshof in Madrid ordnete die Eröffnung eines Verfahrens wegen Amtsmissbrauchs an. Das Pikante daran: Der unterstellte Amtsmissbrauch geschah im Zusammenhang mit seinen Ermittlungen zu Verbrechen der Franco-Diktatur. Dementsprechend wird die Entscheidung des Gerichts als später Erfolg der Franco-Anhänger gewertet. Das ist sie de facto auch, denn Francisco Franco und seine Gefolgsleute ließen nach Ende des Bürgerkriegs im Zuge der Errichtung ihrer Diktatur mehr als 100 000 Gegner des Regimes aus politischen Motiven ermorden und in Massengräbern verscharren. Für diese Verbrechen wurde nie jemand zur Rechenschaft gezogen. Erst im Jahr 2008 brach der Untersuchungsrichter Baltasar Garzón dieses Tabu und leitete Ermittlungen ein, die er auf Weisung des Obersten Gerichtshofes freilich schnell wieder einstellen musste. Deswegen ist es de jure fraglich, ob die jetzige Anklage gegen Garzón wirklich darin begründet liegt, dass die Franco-Ermittlungen per se dem Obersten Gerichtshof ein Dorn im Auge waren.
Sicher ist, dass sich der 1955 im andalusischen Dorf Torres Geborene in seinem Berufsleben parteiübergreifend jede Menge Feinde gemacht hat – vor allem als er ein weitverzweigtes Korruptionsnetz innerhalb der konservativen PP, der sich viele Richter verpflichtet fühlen, aufzudecken begann. Vielen gilt der als Sohn einer Bäuerin und eines Tankwarts mit fünf Geschwistern in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Starjurist als eitler Pfau, der wegen medialer Effekte gerne selbstherrlich Kompetenzen zuschanzt. Schlagzeilen waren und sind ihm so sicher – ob einst beim juristisch korrekten Strafbefehl gegen Chiles Diktator Augusto Pinochet oder beim vom Obersten Gerichtshof 2009 für null und nichtig erklärten Schließen der baskischen Zeitung »Egin« 1998 wegen angeblicher ETA-Verbindungen.
Garzóns Ausflucht über eine Versetzung an den Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag ist seit gestern versperrt: Da suspendierte ihn der Oberste Gerichtshof bis auf weiteres vom Dienst; suspendierte Richter können nicht versetzt werden. Martin Ling
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.