Euro-Rettung mit ungedeckten Schecks

Merkel legt sich bei Spekulationsbesteuerung nicht fest / Heute entscheidet der Bundestag über 150-Milliarden-Paket

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie schon am Ende der letzten Sitzungswoche des Parlamentes will sich die Bundesregierung am heutigen Freitag vom Bundestag ganz auf die Schnelle ein Milliarden-Paket zur Rettung des Euro abnicken lassen.
Umverteilung nach Robin-Hood-Manier gestern in Berlin
Umverteilung nach Robin-Hood-Manier gestern in Berlin

Während in Griechenland gestern beim vierten Generalstreik gegen die Sparpolitik der Regierung trotz geringerer Beteiligung vielerorts die Räder still standen, herrschte in Berlin hektische Betriebsamkeit. Eine internationale Finanzkonferenz, Beratungen der Fraktionen im Bundestag, Aktionen von Nichtregierungsorganisationen davor: die für heute geplante Abstimmung über den fast 150 Milliarden Euro umfassenden deutschen Beitrag zum 750-Milliarden-Rettungspaket warf ihre Schatten voraus.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist wahrlich nicht zu beneiden. Daheim rückt ihr die Opposition auf den Pelz und verlangt verbindliche Festlegungen für eine schärfere Kontrolle der Finanzmärkte und eine Finanzmarkttransaktionssteuer. Und aus dem Ausland weht ihr ein scharfer Wind wegen des deutschen Alleinganges beim Leerverkaufsverbot entgegen. Zögerlichkeit schelten die einen, Aktionismus wettern die anderen.

Von all dem offenbar unberührt versprach Merkel auf der internationalen Konferenz gestern in Berlin, sich auf dem im Juni im kanadischen Toronto stattfindenden Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) zusätzlich zu einer Bankenabgabe für eine Besteuerung der Finanzmärkte einsetzen zu wollen. Interessanterweise ließ sie auch bei dieser Versicherung, die sie als »ein Element der Gerechtigkeit« pries, wieder offen, ob ihr dabei eher eine Finanztransaktions- oder eine Finanzaktivitätssteuer vorschwebt.

Weshalb Detlev von Larcher vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis gestern von den Parlamentariern forderte, der Kanzlerin heute Entscheidungshilfe zu geben. Die am Mittwoch geäußerte Zusage Merkels, sich für eine internationale Finanztransaktionssteuer einzusetzen, habe man gerne gehört, erklärte er. Allerdings halte die Kanzlerin sich das Hintertürchen für die viel weniger wirksame Finanzaktivitätssteuer offen. »Diese Fluchttür muss der Bundestag verschließen. Nur eine Finanztransaktionssteuer macht riskante, kurzfristige Spekulationen unrentabel und hilft, das Finanzcasino endlich zu schließen«, sagte Larcher bei einer Robin-Hood-Aktion von Nichtregierungsorganisationen, auf der Banker – vorerst nur symbolisch – um einen Teil ihres Vermögens »erleichtert« worden waren.

Obwohl die Kanzlerin sich in den letzten Tagen bemüht hatte, eine möglichst breite Zustimmung im Bundestag hinzubekommen, stehen die Chancen dafür schlecht. SPD, Grüne und LINKE verlangen für ihr Ja zum Euro-Rettungspaket verbindliche Zusagen im Kampf gegen Spekulanten. Eine schriftliche Festlegung des Bundestages auf schärfere Kontrollen des Finanzmarktes allerdings wird trotz der Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass die Märkte »außer Kontrolle« seien, von der Unionsfraktion abgelehnt.

Gesine Lötzsch, Vorsitzende der LINKEN, schlussfolgert deshalb: »Frau Merkel wirbt mit ungedeckten Schecks für eine Zustimmung zum 750-Milliarden-Euro-Rettungspaket.« Ihr Versprechen, eine Finanzmarktsteuer einzuführen, habe sie an die Bedingung geknüpft, dass es dafür eine internationale Übereinkunft geben muss – wohlwissend, dass es dafür auf absehbare Zeit keine internationale Lösung geben wird. Auf einen so windigen Deal, so Lötzsch, werde sich die LINKE nicht einlassen. »Wir erwarten von der Kanzlerin schriftliche Zusagen zur umfassenden Regulierung der Finanzmärkte.« Sie müsse außerdem verbindlich erklären, dass die Rettung des Euros daheim nicht genutzt wird, Sozialabbau und Bildungskürzungen durchzusetzen.

Könnte die Kanzlerin derlei Querschüsse noch mit dem üblichen Spiel zwischen Koalition und Opposition abtun – die Signale aus dem Ausland dürften sie wirklich treffen. Nicht nur, dass der Eurogruppenchef und luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sich offiziell »überrascht« zeigte vom deutschen Alleingang beim Verbot der Leerverkäufe und die französische Finanzministerin Christine Lagarde bedauerte, dass die Bundesrepublik nicht die betroffenen Staaten konsultiert habe. Kanada gar kündigte für eine Bankenabgabe Widerstand an. »Das wird es nicht geben«, erklärte der kanadische Finanzstaatssekretär Tiff Macklem in Berlin. Eine gemeinsame G-20-Lösung sei nicht in Sicht. Eine große Hilfe für die heutige Zustimmung im Bundestag war er Merkel damit nicht gerade.

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