In Teheran zeigt man sich über Russland verstimmt
Verbales Scharmützel nach russischer Zustimmung zu Sanktionen
Präsident Mahmud Ahmadine-dschad reizte den blumigen Wortschatz der persischen Sprache bis zum Anschlag aus, als er über Russland wegen dessen Zustimmung zu neuen Sanktionen herfiel, auf die sich die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und Deutschland in den letzten Wochen wegen Teherans Kernforschungsprogramm zusammengerauft hatten. Sie sehen unter anderem das Einfrieren von Konten der iranischen Revolutionsgarden, Reisebeschränkungen für deren Mitglieder sowie ein Lieferembargo für schwere Waffen vor.
Kollege Dmitri Medwedjew, rügte Ahmadinedschad am Mittwochabend beim iranischen Nachrichtenkanal Chabar, habe sich dem Druck der USA gebeugt. Er täte gut daran, seine Position zu überdenken und dafür zu sorgen, dass Moskau nicht »zu den historischen Feinden« Irans gezählt werde. Russland, konterte Sergej Prichodko, außenpolitischer Berater des Präsidenten in Moskau, trage die Sanktionen nicht aus US-amerikanischem, sondern aus eigenem Interesse mit.
Moskau will verhindern, dass sich weitere Staaten Atomwaffen zulegen und damit den Kernwaffensperrvertrag weiter aushöhlen. Zumal Teile des russischen Territoriums für iranische Mittelstreckenraketen erreichbar sind und Moskau eine Kurzschlussreaktion der innenpolitisch hart bedrängten Führung in Teheran offenbar nicht mehr ausschließt. Umso mehr, da beide einander in Freundschaft, wie Ahmadinedschad sie beschwor, erst seit knapp einem Menschenalter verbunden sind.
Um die Vorherrschaft im Kaukasus und in der Kaspi-Region balgt man sich seit über tausend Jahren. Russland hat dabei seit gut 200 Jahren die Nase vorn. Die Zaren nahmen den Schahs zunächst Teile Armeniens, Dagestans und Georgiens ab, diktierten die bis heute gültigen Grenzen in der Kaspi-See und einigten sich später mit Großbritannien über die faktische Teilung Irans in Einflusszonen. Auch Stalin hatte im Norden, wo nationale Minderheiten leben, zeitweilig Truppen stehen. Aus Südaserbaidshan zogen sie erst 1946 ab, nachdem die USA mit dem Einsatz der Atombombe gedroht hatten. Gutnachbarliche Beziehungen gibt es erst, seit die CIA 1953 die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie vereitelte. Das bewog den Schah, ein Gegengewicht zu den allmächtigen Paten in Washington zu suchen.
Erste Haarrisse bekam das Zweckbündnis schon kurz nach der Islamischen Revolution 1978/79, als Ayatollah Khomeini mit der kommunistischen Tudeh-Partei, die ihn zunächst unterstützte, dann aber immer kritischer sah, abrechnete. Und das postkommunistische Russland baut zwar das von Deutschland begonnene Kernkraftwerk in Buschehr fertig und liefert Iran Waffen. Beide gehören auch zu den Gründungsmitgliedern eines OPEC-ähnlichen Gaskartells, stehen bei der Teilung der öl- und gasreichen Kaspi-See jedoch auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade und liefern sich in Zentralasien, wo Iran aggressiv versucht, den Status einer regionalen Großmacht zu restaurieren, einen harten Verdrängungswettbewerb. Auch führte Teheran Moskau beim Streit um die Urananreicherung, die russische Firmen übernehmen sollten, mehrfach international vor.
Ausschlaggebend für Medwedjews Kurswechsel dürften indes weder diese Demütigungen noch die Verbesserung des US-amerikanisch-russischen Verhältnisses sein, sondern die Erkenntnis, dass von Russland mitgetragene neue Sanktionen die internationale Isolierung Irans für überschaubare Zeiträume zementieren. Und davon profitiert Moskau.
Andernfalls könnte der Westen nämlich Gas statt von Russland von Iran kaufen und NABUCCO – die Pipeline, mit der die EU sich Zugriff auf die Vorkommen der Kaspi-Region unter Umgehung Russlands verschaffen will – doch noch rentabel machen. Auch der Nachschub für Afghanistan – ein Trumpf, den Moskau bei Verhandlungen mit NATO und EU regelmäßig ausspielt – könnte dann über Iran laufen; zumal die Wege erheblich kürzer sind.
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