Abstimmung über das Modell Uribe

Bei Kolumbiens Präsidentschaftswahlen sind Menschenrechte das zentrale Thema

  • Gerhard Dilger, Porto Alegre
  • Lesedauer: 3 Min.
In den letzten Tagen vor der Wahl bestimmen Menschenrechtsthemen die Debatte in Kolumbien. Der Grüne Antanas Mockus wird zum Hoffnungsträger der urbanen Mittelschicht.

Krieg oder Frieden, Sicherheit, Korruption und Menschenrechte – es steht viel auf dem Spiel bei der Präsidentschaftswahl in Kolumbien. Nach den Umfragen läuft morgen alles auf ein Kopf-an-Kopf zwischen Regierungskandidat Juan Manuel Santos und dem Grünen Antanas Mockus hinaus. Die endgültige Entscheidung dürfte aber erst in einer Stichwahl am 20. Juni fallen.

Der ehemalige Verteidigungsminister Santos gibt sich als Garant der Kontinuität. Die umstrittene Politik der »demokratischen Sicherheit« des Staatschefs Álvaro Uribe, einer harten Linie gegen die Guerilla und eines bedeutend weniger dezidierten Kampfes gegen Todesschwadronen, will er fortsetzen. Uribes Versuch, eine dritte Amtszeit anzustreben, hatte das Verfassungsgericht Ende Februar gestoppt.

Bogotás früherer erfolgreicher Bürgermeister Mockus hingegen betont die Menschenrechte: Um rasche Erfolge im Kampf gegen die Rebellen der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zu erreichen, hätten Regierung, Großgrundbesitzer und Unternehmer immer wieder auf die rechtsextremen Paramilitärs gesetzt. Solche »Abkürzungen« dürfe es nicht mehr geben, sagt Mockus. Er werde sich auf legale Mittel beschränken.

Im kriegsgeschüttelten Kolumbien wäre das ein Quantensprung. Der Mathematiker und Philosoph Antanas Mockus ist weder wirtschafts- noch sozialpolitisch ein Linker. Doch er könnte die so dringend erforderlich zivile Wende einleiten. Sein kometenhafter Aufstieg in den vergangenen zwei Monaten zeigt, dass Millionen Kolumbianer der Gewalt, der Lauschangriffe und der grassierenden Korruption der Uribe-Ära überdrüssig sind. Einem Bericht der »Washington Post« zufolge soll ein Bruder Uribes in den 90er Jahren eine Todesschwadron angeführt haben. Minister wittern hinter den Aussagen eines früheren Militärs, auf denen der Artikel beruht, eine venezolanische Verschwörung. Zugleich häufen sich die Indizien, dass die jahrelange Bespitzelung von Oppositionspolitikern, Journalisten und hohen Richtern durch den Geheimdienst DAS direkt aus dem Präsidentenpalast angeordnet wurde.

»Skandalös« findet nicht nur Moc-kus die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren weit über 1000 junge Zivilisten unter falschen Versprechungen aus städtischen Armenvierteln in Kriegsgebiete gelockt wurden, wo sie von Soldaten ermordet und als Guerilleros ausgegeben wurden. Uribe und Santos trügen dafür die politischen Antwortung, sagte der Grüne. Seinzentrales Wahlkampfmotto lautet: »Das Leben ist heilig.«

Auch sozialpolitisch hinterlässt der rechte Hardliner Uribe einen Scherbenhaufen. Die im regionalen Vergleich hohe Arbeitslosenquote von 12 Prozent sei ein Beweis für das »Scheitern des neoliberalen Modells«, wie es Uribe verfolgt habe, sagt Fabio Arias vom Gewerkschaftsdachverband CUT, Arbeiterrechte seien weiter ausgehöhlt worden. Knapp die Hälfte der 44 Millionen Kolumbianer gelten als arm, über sieben Millionen Menschen leben im Elend.

Gustavo Petro vom linken »Alternativen Demokratischen Pol«, der seit zwei Wochen auch in den Umfragen punkten konnte, weist immer wieder auf die sozialen Wurzeln des Krieges hin und fordert eine Landreform gegen die rechte Mafia. Mockus sieht vor allem die zentrale Rolle des Drogenhandels: Nach wie vor füllen die Einkünfte aus dem blühenden Geschäft mit Kokain und Heroin die Kassen von Paramilitärs, FARC und korrupten Politikern. Nach der Ära Uribe soll das anders werden: Mockus gehört zu einer illustren Runde von lateinamerikanischen Politikern und Intellektuellen, die eine grundlegende Wende in der Drogenpolitik fordern.

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