Viel Zuspruch für Gauck

LINKE will eigene Bewerberin für Bundespräsidentenwahl nominieren

  • Lesedauer: 4 Min.
Joachim Gauck, Bundespräsidenten-Kandidat von SPD und Grünen, zeigt sich überrascht über seine mediale Popularität und den Zuspruch aus dem bürgerlichen Lager – auch die Freien Wähler können sich vorstellen, ihn zu wählen. Die LINKEN-Spitze will eine Frau für die Bundespräsidentenwahl nominieren.

Berlin (ND-Meier/dpa). Auch der eigentlich stets wortmächtig auftretende Außenseiterkandidat zeigt sich von der Sympathiewelle und dem breiten medialen Zuspruch überrollt. »Wer sollte da nicht überrascht sein? Es macht mich ein wenig sprachlos«, sagt Joachim Gauck in die Mikrofone, als er sich im Schnelldurchlauf bei den Spitzen von SPD und Grünen vorstellt. Die Unterstützung, die er bislang aus Union und FDP erhalten hat, sieht der 70-Jährige als gutes Omen für die Entscheidung in der Bundesversammlung am 30. Juni: »Da habe ich viele Freunde und viele Kontakte.«

Nur noch Formsache war Gaucks offizielle Nominierung deshalb am Montag in beiden Parteizentralen. Bei den Sozialdemokraten wollte zumindest ein Vorstandsmitglied nicht in den allgemeinen Jubelchor einstimmen. Björn Böhning, der Sprecher der Parteilinken, enthielt sich bei der Nominierung als Einziger.

Im rot-grünen Unterstützerlager hat man sich vorgenommen, dem Herausforderer des CDU-Bewerbers Christian Wulff nicht in seine inoffizielle Wahlkampagne hineinzureden. Die Fehler, die der SPD vor gut einem Jahr bei der Kampagne für ihre Präsidentschaftsbewerberin Gesine Schwan gegen Amtsinhaber Horst Köhler unterlaufen sind, sollen sich möglichst nicht wiederholen. Unvergessen bleibt die von Schwan damals angestoßene Debatten, ob die DDR nun ein Unrechtsstaat gewesen sei oder nicht. Solche Vorstöße sind von Gauck nicht zu erwarten. Über die zentrale Botschaft, mit der er in den kommenden Wochen durchs Land tingeln will, ist sich Gauck bereits klar: »Es gibt diese Vertrauenskrise im Land. Und diese Sprachstörung zwischen Regierenden und Regierten. Und auch so einen Kleinmut und so eine Neigung zur Angst«, bringt er seine Analysen auf den Punkt.

Noch mit einiger Ratlosigkeit verfolgen viele im Koalitionslager den derzeitigen, auch von den Medien geschürten Hype um Gauck. Doch Erfahrene in den eigenen Reihen raten dazu, jetzt nur nicht in Panik zu verfallen. Bis zur Wahl am 30. Juni werde sich dieses Phänomen zum großen Teil wieder verflüchtigen, ist man überzeugt.

Freie Wähler könnten für Gauck stimmen

Offenbar hat man bei der Koalition Stimmen der Freien Wähler (FW) bereits für Wulff verbucht. Doch FW-Bundesgeschäftsführerin Cordula Breitenfellner widerspricht: »Wir werden zwar zu Recht dem bürgerlichen Lager zugerechnet, aber Wulff wurde aus rein parteipolitischen Gründen nominiert«. Der Christdemokrat sei »nicht die Person, die wir uns erwünscht haben«. Noch sei unklar, ob die FW einen eigenen Kandidaten aufstellen. Wenn nicht, dann würden »wir wohl Gauck favorisieren«, so Breitenfellner. Der Diskussionsprozess laufe noch. Der Südschleswigsche Wählerverband entsendet eine Wahlfrau in Bundesversammlung. »Wir haben noch nicht entschieden, ob Herr Wulff oder Herr Gauck unsere Stimme bekommt«, so Pressesprecher Lars Erik Bethge.

Die NPD (drei Wahlmänner) nimmt Christian Wulff derweil übel, dass er unlängst mit Aygül Özkan eine türkischstämmige Ministerin in sein Landeskabinett berufen hat. Die Nazi-Partei schickt den »nationalen Liedermacher« Frank Rennicke ins Kandidatenrennen. Dass die drei NPD-Stimmen ab dem zweiten oder dritten Wahlgang aus Protest gegen die »Türken-CDU« an Gauck fließen, ist unwahrscheinlich. Auszuschließen ist es nicht.

Was geschieht im zweiten und dritten Wahlgang?

Wie am Montag bestätigt wurde, will die LINKEN-Spitze eine Frau für die Bundespräsidentenwahl nominieren. Die Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst wollen Bundestagsfraktion und Landesvertreter an diesem Dienstag einen entsprechenden Vorschlag machen. Die »Freitag«-Herausgeberin Daniela Dahn könnte eine geeignete Kandidatin sein. Ihre differenzierte Sicht auf die DDR hebt sich wohltuend vom diesbezüglichen Gepolter des Kandidaten Gauck ab.

Unklar ist noch, ob die LINKE in einem zweiten oder dritten Wahlgang den rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck unterstützen wird, falls der von Union und FDP nominierte Christian Wulff nicht auf Anhieb gewählt wird. In der Partei mehren sich die Stimmen für ein solches Vorgehen. Neben dem früheren Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sprach sich am Montag auch der Fraktionschef der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, dafür aus, Gauck im zweiten oder dritten Wahlgang zu unterstützen. Die LINKE hatte ursprünglich einen gemeinsamen Oppositionskandidaten für die Wahl angestrebt. SPD und Grüne entschieden sich aber für einen Alleingang und nominierten Joachim Gauck. Der frühere Leiter der Stasi-Akten-Behörde hatte immer wieder scharfe Kritik an der PDS und Linkspartei geäußert.

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