Kraftakt zu Lasten der Schwächsten

Bundesregierung bürdet den Bürgern ein 80-Milliarden-Sparpaket auf

  • Lesedauer: 3 Min.
Schwarz-Gelb setzt den Rotstift an: Mit einem gigantischen Sparpaket soll Deutschland aus der Schuldenkrise kommen. Kanzlerin Merkel spricht von einem einmaligen Kraftakt. Die geplanten Sozialkürzungen lösen wütende Proteste aus.

Berlin (Agenturen/ND). Die Bundesregierung hat das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte beschlossen. Bis 2014 sollen ungefähr 80 Milliarden Euro eingespart werden – deutlich mehr als erwartet. Die größten Einschnitte gibt es bei Sozialleistungen, aber auch die Wirtschaft muss sich auf Milliardenbelastungen einstellen.

»Es sind ernste Zeiten, es sind schwierige Zeiten«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Sie bezeichnete das Sparpaket als »einmaligen Kraftakt«. Von den drastischen Einschnitten ist der Sozialbereich besonders betroffen. Eine höhere Mehrwert- und Einkommensteuer schlossen Union und FDP aus.

Die Koalition will die Bundeswehr im großen Stil durch eine »groß angelegte Streitkräftereform« umstrukturieren. Bei den Sozialleistungen will die Regierung besonders kräftig sparen. Zuschläge für Arbeitslose werden gestrichen. Bei Hartz-IV-Betroffenen will der Staat die Beiträge zur Rentenversicherung einsparen. Dies soll etwa zwei Milliarden Euro im Jahr bringen. Das Elterngeld wird Hartz-IV-Betroffenen komplett gestrichen.

Auch beim Staat will die Bundesregierung sparen – bis einschließlich 2014 sollen beim Bund bis zu 15 000 Stellen dauerhaft abgebaut werden. Die Wirtschaft ist ebenfalls nicht gänzlich von den beschlossenen Maßnahmen ausgenommen. Die Atomkonzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW etwa müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Passagiere, die von einem deutschen Flughafen starten, sollen eine Abgabe entrichten.

SPD, LINKE und Gewerkschaften kündigten Widerstand gegen die Sozialkürzungen an. »Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten«, sagte LINKE-Parteichef Klaus Ernst. »Dagegen wird es Riesenproteste geben.« Die Grünen kritisierten, die Handschrift der Koalition sei die Kürzung bei den Schwachen. Eine höhere Belastung der Vermögenden in Deutschland scheue Schwarz-Gelb wie der Teufel das Weihwasser, sagte Fraktions-Geschäftsführer Volker Beck.

Die Gewerkschaft ver.di warnte, eine Rotstift-Politik werde die soziale Schieflage im Land verschärfen. »Die Bundesregierung belastet einseitig die Schwachen in der Gesellschaft, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen«, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach am Montag in Berlin von »absolut inakzeptablen Beschlüssen«. Der Sozialverband VdK Deutschland bezeichnete es als »völlig verfehlt, bei denjenigen Bevölkerungsgruppen den Rotstift anzusetzen, die bereits in Armut leben oder von Armut bedroht sind«. Auch die Arbeiterwohlfahrt und die Diakonie gingen auf Distanz. Die »soziale Kälte dieser Sparpolitik ist ein gesellschaftlicher Sündenfall«, bemängelte die Arbeiterwohlfahrt (AWO). Das Sparpaket sei »völlig unausgewogen und inakzeptabel«, sagte AWO-Vorsitzender Wilhelm Schmidt. Auch er forderte, »die starken Schultern« angemessen zur Finanzierung des Sozialstaates heranzuziehen. Andernfalls sei der soziale Frieden im Land gefährdet.

Gespart wird zu guter Letzt auch beim Berliner Stadtschlosses – mit dem Bau soll frühestens 2014 begonnen werden.

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