Albert Ostermaier: Das wilde Herz schlägt Pässe in die Laufwege des Glücks
luftball für jorge valdano
y como las alternativas del juego/ se repiten y se repitenJ.L. Borges
das niedergetretene gras
richtet sich wieder auf du
ziehst die schuhe aus gehst
barfuss durch das frisch
gemähte grün wie das riecht
fängst zu laufen an und bist
ein kind die erinnerung
in den sohlen die schnitte
der halme die grasflecken
an den fussballen die wolke
spielt dir den ball zurück
das sehnen in die gespannten
sehnen die kugelwelt in die
drehung eines knöchels das
blutende knie der sonne
der du zwischen die beine
spielst so lang sie sich
auch macht am horizont
sie wird deinen ball nicht
erreichen du reisst die arme
in die luft und wirst nicht
als verlierer schlafen müssen
die himmelblaue decke über den
kopf das kissen zu einem ball
geknüllt wirst du mit heissen
wangen träumen und draussen
vor deinem fenster glüht das
gras noch immer von deinen
schritten und die nachtigallen
singen deine namen wenn
du einschläfst und das glück
dich berührt wie man einen
schlafenden liebkost und die
kleinen nimmermüden füsse
zeigen der nacht im schlaf
noch einmal all ihre zaubertricks
und noch heute wachst du
an den guten morgen auf mit
dem geruch von frischgemähtem gras
nachspielzeit oder: shakespeares missvergnügen
das ist die karte die mein spielverdirbt hexenkessel als würde
das helfen garstge hexen warum
zeigt ihr mir das warum rauche
ich so schnell wieviele züge sind
es noch jetzt nicht aschen drei
minuten dieser aberglaube bin
ich schuld gram dehnt die zeit
fair is foul and foul is fair hau
ihn weg kippe eine noch aber
wenn sie deshalb verlieren eine
noch oder besser nicht über links
die schachtel aus der linken tasche
holen letztes mal hatte ich sie
in meiner linken manteltasche
schwarze sau die pfeifen
aus dem letzten loch ich schrei
mir die lunge aus dem leib rot
hat er das nicht gesehen ich
hätte nicht dieses verdammte
hemd angezogen sondern das
andere ungebügelte mit den streifen
alles wäre anders spiel ab nein
I doubt some foul play bastard
das muss er nachspielen lassen
was ist der körper wenn sein
haupt ihm fehlt diese null nicht
auf die uhr schauen warum
stellen sie die uhr nicht ab helft
mir glück und raschheit mir frieren
die füsse ab warum bleibt er so
lange liegen ein rasen diene als
kissen oder was denkst du dir
steh auf den feind zu scheuen
da furcht die stärke hemmt das
gibt dem feind stärke in eurer
schwäche jetzt mach ihn rein ja
nein warum kann ich nicht mit
meinen fingern pfeifen oh welche
masse hässlich schnöder fehler
ich tue alles ich verspreche es alles
keine zigarette mehr gott wenn
wir gewinnen fuck schlusspfiff
zu spät vorbei ein vorhang vor
meinen augen die lider sind so
schwer warum sind sie nicht über
die flügel gekommen das habe ich
nicht verdient doch niemand heilt
durch jammern seinen harm you
never was singen sie da stand alone
sie singen ja noch ich singe sind das
tränen mancher schmerz ist heilsam
so ist dieser er stärkt die liebe was
solls ich bleibe sitzen was nicht
zu retten lass dem falschen glück
doch gib geduld für kränkung ihm
zurück wir kommen wieder die
zeit ist kurz geniesst sie noch in freuden
ode an scholl (für mehmet)
sein wildes herz schlägt pässein die laufwege des glücks
blind in die tiefe des traums
dass einem die augen überlaufen
unter seinen stollen werden
die grasnarben zu plattenrillen
was er spielt ist musik er dreht
sich täuscht an trance bei ihm
wird die welt zur scheibe er ist
der saphir der nicht zu fassen ist
keiner kann ihn halten nichts hält
den ball auf seiner elliptischen
flugbahn über die mauern
in den köpfen er trifft
in den winkel der netzhaut
dass ein feuerball aufgeht
aber er bleibt auf dem boden
zu oft in den boden getreten
zu oft wie ikarus mit wachs
auf den gliedern zu nahe
dem himmel spürt er die bässe
in den sohlen den tiefen drang
er wechselt die flügel und hebt
ab mit ideen gedankenblitzen
lässt die abwehrreihen ins
leere grätschen seine übersteiger
sind metaphysik zwischen den
seitenauslinien zieht er seine
zeilen ins unendliche er steht
abseits ohne im abseits
zu stehen mit seinen versfüssen
schreibt er auf dem rasen ein
gedicht dessen rhythmus ein
schrittmacher all den herzen
sein wird wenn sie mit ihm aus der reihe tanzen
der stein des anstoßes
man muss sich camus als einenglücklichen torwart vorstellen
er hatte kein problem mit bällen
die an ihm vorbei über die linie
schnellen das gehörte für ihn zum
existentiellen sich nicht lang zu
quälen und die kugel aus dem netz
zu holen während die horden hinter
seinem rücken auf kosten seiner
diastolen unverholen höhnisch jolen
die seinen über ihn als blinden nölen
und die gegner sich mit ihren leibern
unter freuden ineinander knäulen
das spiel begann für ihn mit jedem
tor von neuem er hatte keine angst
vor elfmetern oder der hand gottes
in seinem strafraum versagt er sich
alles zetern so sehen wir nur wie
ein angespannter körper sich
anstrengt wenn er im eckigen das
runde fängt oder den schuss um die
stangen lenkt er ahnt dass alles nur
von ihm abhängt tragisch ist es aber
nur in den wenigen augenblicken
wenn er sich dessen bewusst wird
und statt zu spielen kluges denkt
denn der ball kommt nie aus der
richtung aus der man ihn erwartet
93 oder: herzspielstand
die zeit ist aus den fugen es isthalb elf jeden tag um halb elf
blinkt seine armbanduhr er reisst
die arme in die luft legt die uhr ab
geht in die nächste ecke und legt
seine hände über sein gesicht
sinkt zu boden die stirn in die
handballen gepresst tränen in
den augenwinkeln trauerränder
um die wie bälle aufgepumpten
tränensäcke der du die zeit in
händen hast nimm auch diese
last und wandle sie in segen
man musste ihn wiederbeleben
er hält den atem an solange er
kann als tauchte er unter wasser
als wäre der glühende sonnenball
ins meer getaucht und er tauchte
mit ihm tiefer und tiefer umspült
von glückswellen gleitend inmitten
brennender schmeichelfische an
seinen zitternden flanken er floss
dahin als würden ihn hände durch
die menge tragen doch dann ein
schlag auf seine brust die faust
da schreckt er auf es treibt ihn
nach oben er schnellt durch das
wasser sein leben überholt ihn
die erinnerung er schnappt nach
luft und ist im dunkel ein schwarzes
fahnenmeer vor seinen augen
unter seinen schwitzenden
händen ein jegliches hat seine
zeit ihm fehlen jeden tag
drei minuten drei minuten
herzstillstand drei präkordiale
faustschläge und er war wieder
da und das spiel aus vier minuten
nach halb elf schlug er die augen
wieder auf und sein herz schlug
weiter es hatte nur für sie die roten
geschlagen er verzieh es ihnen nie
als sieger zu sterben und zurück
geholt zu erwachen als verlierer
drei minuten eine zigarettenlänge
ein langer kuss im regen sich in
den armen liegen den ball in der
luft halten drei minuten mit der
stirn den schulterblättern den
schenkel dem knie der hacke
der spitze drei minuten den ball
gegen ein garagentor schlagen drei
minuten wie lange wird seine
nachspielzeit gehen er schaltet
jedes spiel in der neunzigsten
minute aus seitdem verlässt das
stadium wenn die uhr umschlägt
er wurde ein zweites mal geboren
die mutter aller niederlagen holte
ihn zurück aus der tiefe des raums
nahm ihn in die zange ein strafstoss
dachte er zunächst zwei jahre später
hielten sie ihn fest als er gehen wollte
nach neunzig minuten ein spiel dauert
neunzig minuten sie liessen ihn nicht
aus als er den jubel hörte am ende
als sie einandern umarmten dachte
er jetzt sei er wieder tot doch die
verlorene zeit hatte zurück gefunden
und drehte dort unten auf der
aschenbahn ihre siegerrunden
manndecker oder: die Mannheimer Schule
ich trat auf dein knie jetzt schwoll es anzu einem ball und ist so rund dass du
damit denken kannst das wollte ich
nicht mit dem feuerzeug aber der rasen
musste brennen diese leidenschaft auf
engstem raum zu verschieben vor und
zurück was stehst du so abseits ohne
meinen atem in deinem nacken du
musst zurück ins spiel finden dein
platz ist bei mir wohin du auch läufst
ich folge dir wie stürmisch du am
anfang warst und wie ausgewechselt
auf einmal du jetzt bist dein glück
nach dem spiel ist vor dem spiel ich
werde wie pech an dir kleben bleiben
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