Mit der Schere an Sachsens sozialem Netz

Großdemonstration gegen schwarz-gelbe Sparpläne in Dresden / Protest auch in Schleswig-Holstein

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehrere tausend Menschen haben gestern in Dresden gegen Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich, bei Kultur und öffentlichem Dienst protestiert. Tags zuvor hatte die CDU/FDP-Koalition Einsparungen von jährlich über 1,2 Milliarden Euro verkündet.

Neben vielen Transparenten, bunten Fahnen und Trillerpfeifen gehörte gestern auch eine dicke Rolle aus bunten Schnüren zu den Utensilien, die in einem von drei Demonstrationszügen mit Tausenden Teilnehmern über drei Elbbrücken und zum Dresdner Landtag getragen wurden. Die zusammengeknüpften farbigen Stricke symbolisierten das soziale Netz, das unterwegs aufgespannt und dann von einem Stelzenläufer mit einer großen Schere zerschnitten wurde.

Mit dieser und ähnlichen Aktionen wurde gegen ein Sparpaket protestiert, das die Regierung von CDU und FDP tags zuvor beschlossen hatte und das Einschnitte von gut 1,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr und fast 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2012 vorsieht. Finanzminister Georg Unland versuchte zwar, die Botschaft zu versüßen: Immerhin hatte er noch in der vorigen Woche verkündet, einzusparen seien sogar 1,7 Milliarden. Doch noch immer stehen flächendeckende Kürzungen an, wogegen ein erst kürzlich gegründetes Bündnis aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und anderen Organisationen nun ein erstes Signal des Widerstands setzte.

Nicht nur vor, sondern auch in einem der Demo-Züge waren dabei viele Polizisten zu sehen. Zwar hatte Unland erklärt, der geplante Abbau von 2441 Polizistenstellen werde bis 2019 gestreckt. Gleichzeitig verkündete er, danach würden weitere 800 Stellen gestrichen. »Es ist noch schlimmer geworden«, sagte Matthias Kubitz, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, gestern dem ND. Die Folgen seien für die Bürger spürbar, weil sie im Zweifelsfall länger auf Polizisten warten müssten. Zum anderen gebe die Regierung »ein fatales Signal nach innen«: Den bereits jetzt an der Belastungsgrenze arbeitenden Polizisten werde zudem die Anerkennung verweigert, weil das Weihnachtsgeld für die Beamten gestrichen wird. Von 30 000 Beamten sind 12 500 Polizisten.

Nicht ganz so aufgebracht seien die Lehrer, sagt Rita Kiriasis, Vize-Chefin des Sächsischen Lehrerverbandes. Die Regierung hatte verkündet, sich bei der Stellenzahl an der in West-Ländern zu orientieren und einen »Qualitätszuschlag« von fünf Prozent zuzulegen. Daneben hatten die Lehrer die Rückkehr in die Vollzeit erkämpft; viele der Kollegen arbeiten nun in Ganztagsangeboten. Kiriasis verwies jedoch auf Kürzungen in Kitas und Hochschulen: »Wenn dort gestrichen wird, nutzt es auch nichts, wenn es genügend Lehrer gibt.«

Erheblich betroffen sind von den Kürzungsplänen soziale Programme und Einrichtungen. Allein bei Beratungsangeboten in der Suchthilfe sollten 23 Millionen Euro eingespart werden, sagt Beate Hennig, Landesgeschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Derlei Einrichtungen müssten in einem Sozialstaat, der Teilhabe für alle Menschen ermöglichen wolle, unantastbar sein, so Hennig: »Da darf man einfach nicht kürzen.« Sie kritisierte, dass Förderprogramme oft gestrichen würden, ohne dass ihre Effizienz überprüft worden sei: »Wir sind nicht gegen Einschnitte, aber die jetzt geplanten sind konzeptionslos.«

Die Gewerkschaft ver.di monierte, dass Investitionen stark gesenkt werden. DGB-Chefin Iris Kloppich sagte, indem sie keine Schulden aufnehme, wolle die Koalition künftige Generationen entlasten; dabei belaste sie aber jetzt lebende Kinder überdurchschnittlich stark.

Unterstützt wird der Protest von den Oppositionsparteien, die parallel zu den Demonstrationen eine Debatte über Kürzungspläne der Dresdner und Berliner Koalition im Landtag angesetzt hatten.

Auch in Schleswig-Holstein wurde am Mittwoch gegen Sparpläne der Landesregierung protestiert. Seite 6

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