Israel gibt nach: Lockerung von Gaza-Blockade
Der stellvertretende Hamas-Außenminister Ahmed Jussef tat die angekündigte Lockerung der Gaza-Blockade am Donnerstag umgehend als »Quatsch« und »israelische Propaganda« ab. Israel wolle auf diese Weise nur dem Druck der internationalen Gemeinschaft entgehen, meinte er. »Ich glaube nicht, dass wir mehr Ketchup und Mayonnaise brauchen«, höhnte er angesichts der israelischen Zusage, mehr »zivile Güter« in das Palästinensergebiet zu lassen. »Wir brauchen eine vollständige Aufhebung der Blockade und eine Öffnung aller Grenzübergänge.«
Mit der Entscheidung des Sicherheitskabinetts um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will Israel sein ramponiertes internationales Image aufpolieren, bevor es zu neuen Konfrontationen mit pro- palästinensischen Aktivisten kommt. Am Mittelmeer-Horizont zeichnet sich nämlich schon neuer Ärger auf hoher See ab: In den nächsten Tagen und Wochen wollen weitere Solidaritätsschiffe versuchen, die Seeblockade zu brechen. Zwei Schiffe sollen von dem Erzfeind Iran auf den Weg geschickt werden, schon kommende Woche wollen 30 Libanesinnen und 20 weitere internationale Aktivistinnen mit der »Mariam« von Beirut aus nach Gaza fahren. Das Konfliktpotenzial ist enorm - vor dem Hintergrund der Stürmung des türkischen Passagierschiffs mit neun Toten vor knapp drei Wochen wird neues Blutvergießen befürchtet.
Die wachsende internationale Isolierung des jüdischen Staates wird in Israel mit Bestürzung und einer gewissen Ratlosigkeit wahrgenommen. »Israel verliert seine Aktionsfreiheit«, schrieb ein Kommentator der Zeitung »Haaretz« am Donnerstag. »Das Land steht am Abgrund.« Mit der Blockadepolitik gegenüber der radikalen Hamas ist Israel jedenfalls weitgehend gescheitert, während der vor vier Jahren in den Gazastreifen entführte israelische Soldat Gilad Schalit sich weiter in den Händen seiner Hamas-Kidnapper befindet. Seine Freilassung war eine der Bedingungen für eine Aufhebung der Blockade.
Angesichts der Schwächung der israelischen Position wirkte die Aufforderung des Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, Tony Blair, Schalit nun bedingungslos freizulassen, fast etwas naiv. Blair hatte die Blockadelockerung bereits am Montag in Luxemberg angekündigt und erklärt, Israel wolle bei den Gaza-Grenzkontrollen künftig statt einer Liste mit erlaubten Waren eine Liste von verbotenen Gütern verwenden.
Israel will die Gaza-Grenzen nicht vollständig öffnen, weil es befürchtet, dass dann noch mehr Waffen in das Palästinensergebiet gelangen. Die Europäische Union ist bereit, bei den Grenzkontrollen von Ägypten aus wieder eine aktivere Rolle zu übernehmen. Auf den Vorschlag Frankreichs, Spaniens und Italiens, Schiffe auf dem Weg nach Gaza zu kontrollieren, wollte Israel aber nicht eingehen. Hamas-Minister Jussef sagte am Donnerstag, seine Organisation »erwäge« den Vorschlag - unter der Bedingung, dass die Kontrollen »ohne jegliche Einmischung Israels« erfolgen.
Mehr zum Thema in der ND-Ausgabe vom 18.06. 2010
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.