Ke Nako Afrika – es ist Zeit für Afrika
Der weltgrößte Sportartikelhersteller wirbt in Soweto mit einem großen Trainingszentrum
Es ist Montagnachmittag kurz vor vier. Wir sind nach Soweto gefahren, dem größten Township Südafrikas, in dem etwa zwei bis drei Millionen Menschen leben. Rechtzeitig zur Fußballweltmeisterschaft eröffnete der weltgrößte Sportartikelhersteller Nike im Herzen Sowetos werbewirksam ein Trainingszentrum. Es liegt an der gleichen belebten Straße wie Afrikas größtes Krankenhaus, das Chris Hani Baragwanath Hospital.
Viele freundliche Sicherheitsleute gewähren uns Zugang zum Trainingszentrum. Dort beginnt gerade die Siegerehrung. Vom 10. Juni bis zum 10. Juli veranstaltet Nike auf dem Gelände nämlich ein Fußballturnier für Hobbymannschaften aus Soweto, Johannesburg und Umgebung.
Auf dem frisch verlegten Kunstrasen eines der drei Fußballplätze steht die Mannschaft des Tages, die Spieler lächeln verlegen in die Kameras der Fotografen, nachdem sie von den Betreuern nochmals darauf hingewiesen wurden, dass das Firmenlogo auf Trikots, Hosen und Strümpfen gut in Szene gesetzt werden muss. Schließlich bekommen sie die Medaillen umgehängt.
An diesem Tag haben Mannschaften der Unter-18-Jährigen gespielt. Zum Sieger wird das Team »Future Stars 3« erklärt. Die eigentlichen Gewinner wurden disqualifiziert, weil sie ältere Spieler in ihre Reihen geschmuggelt hatten. Eine Betreuerin des Unternehmens erklärt uns, dass fast alle Mannschaften den Namen »Future Stars« wählen. »Alle wollen ›Stars der Zukunft‹ sein, keiner der Jungen ist bereit, auf diesen Namen zu verzichten, also haben wir den Mannschaften Nummern verpasst: Future Stars 1, Future Stars 2 und so weiter.«
Der große Preis, der zu gewinnen ist, erklärt einer der Schiedsrichter, wird am Ende des Turniers ausgespielt, wenn die Siegermannschaften der verschiedenen Altersklassen gegeneinander antreten. Hauptpreis ist für jeden Teilnehmer eine komplette Sportausrüstung, natürlich von Nike.
Am Rande der Siegerehrung treffen wir Kevin und David, beide 17 Jahre alt, beide aus Soweto. Sie sind mit ihrer Mannschaft, den »Orlando Destroyers«, schon früher ausgeschieden und schauen nun zu, wie die anderen geehrt werden. Kevin und David sind von dem neuen Trainingsgelände begeistert. »Alles ist so schön hier«, schwärmt David, »so schön, dass ich hier wohnen und schlafen möchte.«
Von der großen Rasenfläche, die in mehrere kleinere Spielfelder unterteilt ist, werden wir zum Hauptgebäude des Trainingszentrums geführt, das auf dem Gelände eines früheren Sporthauses errichtet wurde. Das klar gegliederte Gebäude aus Beton, Stahl und Holz wird an der Eingangsfront von einem kunstvollen Drahtgeflecht mit Sportmotiven geschmückt. Bei genauerer Betrachtung erkennt man einen Fußballtorwart und einen Fan mit Vuvuzela. Direkt am Eingang prangt in den Beton gemeißelt ein Ausspruch Arsène Wengers, des französischen Trainers in Diensten des englischen Fußballklubs Arsenal: »Man baut einen Spieler auf wie ein Haus, man beginnt mit dem Fundament, der Grundstruktur.« Wie in einem Tempel liest man in einem Vorraum weitere Fußballweisheiten in Zulu und dem Slang Sowetos. Gepriesen werden Teams und große Nike-Stars. Man liest Namen wie Drogba, Ronaldo und Modise.
Der Innenraum des Centers ist zweigeteilt: In einem Bereich stehen aufgereiht Apple-Computer, an denen Besucher unentgeltlich im Internet surfen können. An der Wand in einer großen Vitrine sind die Trikots großer Mannschaften zu bewundern – wie moderne Reliquien. Im zweiten Raum, den Fußballtrainer nutzen sollen, um ihre jungen Spieler in Taktik zu unterweisen, verfolgen einige Besucher auf einem Großbildschirm das gerade laufende WM-Fußballspiel. Daneben beherbergt das Zentrum Büroräume, einen Wellnessraum für die Spieler und einen Bereich, der für Aids-Aufklärung benutzt werden soll, denn Nike will in dem Trainingscenter in Soweto nicht nur junge Fußballtalente fördern, sondern sich auch im Kampf gegen Aids engagieren.
Schön, wie David meint, ist nicht nur das Gebäude, schön sind auch die beiden jungen Mitarbeiter am Informationstisch. Die sportliche junge Frau überreicht uns freundlich eine aufwendig gestaltete Broschüre über den Bau und die Bedeutung des Trainingszentrums. Hier ist einfach alles frisch, sauber, modern. In Soweto – ein Kurzwort für South Western Townships – ist das längst noch nicht überall so. Vor dem Gebäude treffen wir auf eine Gruppe von Jungen, die an diesem Tag am Turnier teilgenommen haben. Einer trägt in der Hand ein Nike-Shirt, das er gewonnen hat. Was es für ihn bedeutet? »Es zeigt den anderen: Ich bin jemand, ich kann mir was leisten.«
Das Trainingszentrum ist natürlich auch gedacht, für die Produkte des Unternehmens zu werben. Südafrika soll bald wie Brasilien und andere aufstrebende Märkte für hohen Absatz sorgen. Die Firma glaubt fest daran, was allerorten seit dem Beginn der WM zu hören ist: Ke Nako Afrika – es ist Zeit für Afrika!
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