Wir bleiben Gastgeber

»Sind Sie traurig?« »Ich bin ganz OK. Die Bafana Bafana (die Jungs) haben heute zum ersten Mal gegen eine Top-Ten-Mannschaft gewonnen. Klar ist es schade, dass wir nicht weitergekommen sind, aber das Wichtigste ist ohnehin, dass wir die Weltmeisterschaft ausrichten und Gastgeber sein dürfen!« Die Ansicht dieses südafrikanischen Fußballfans steht stellvertretend für viele. Das nach der vorangegangenen 0:3-Pleite gegen Uruguay erwartete Ausscheiden wurde gefasst aufgenommen. Beim Public Viewing in Newton in der Johannesburger City gab es trotz Alkoholausschanks keinerlei Randale oder aggressive Stimmung. Bis in den späten Abend wurde der Frust einfach hinweggetanzt.

Fußball ist in Südafrika eine schöne Nebensache. Fanatismus wie in westafrikanischen Ländern ist in Südafrika nicht bekannt. Hier wird nicht Spielern nach fußballerischen Missetaten das Haus abgefackelt, wie einst dem Kameruner Pierre Womé nach Elfmeterfehlschuss. Es gibt auch keine Todesdrohungen wie derzeit gegen den nigerianischen Rotsünder Sani Kaita. In Südafrika leidet man mit den Jungs, man schimpft über sie, man verflucht sie aber nicht.

So sehr sich der Glaube an das Wunder in Grenzen hielt, gehofft wurde durchaus auf einen glückenden Sturm der Bastille. Auch beim dritten Spiel der Bafana Bafana waren die Straßen von in Nationaltrikots oder zumindest in gelb gekleideten Menschen von Jung bis Alt gesäumt. Viele strömten zu den Plätzen, auf denen das Spiel auf großen Bildschirmen übertragen wurde.

In Newton versammelten sich mehrere tausend Menschen bestens gelaunt, auch wenn ihre Mannschaft für ein Weiterkommen hoch gegen Frankreich hätte gewinnen müssen. Eltern mit kleinen Kindern auf den Armen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene – bis auf betagte Senioren waren alle Alters- und Volksgruppen vertreten, ob schwarz, weiß, coloured oder asiatisch. Hinter der Bafana Bafana versammelte sich wieder einmal die ganze Regenbogennation.

Mit dem Ausscheiden Südafrikas wird die Weltmeisterschaft ihre emotionalen Höhepunkte verlieren. Die Feier- und Gastgeberlaune lassen sich die Südafrikaner aber sicher nicht vermiesen, und ein zweites Lieblingsteam hat ohnehin fast jeder.

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Unser Autor (ND-Foto: Burkhard Lange) ist Experte für Afrika, Lateinamerika und Entwicklungspolitik. Auf den Sportseiten des ND schreibt er meist über spanischen oder lateinamerikanischen Fußball.

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