Stammzellforscher streiten

Renommierter Wissenschaftler zieht in »Nature« Durchbruch von Tübinger Kollegen in Zweifel

  • Lesedauer: 2 Min.

Münster/Aachen (dpa/ND). War der Durchbruch doch keiner? Der Tübinger Anatomieprofessor Thomas Skutella hatte im Jahre 2008 im britischen Fachblatt »Nature« berichtet, es sei seinem Team gelungen, aus erwachsenen menschlichen Keimzellen des Hodens pluripotente Stammzellen zu gewinnen. Nun schreibt – ebenfalls in »Nature« (DOI 10.1038/nature09089) – eine Forschergruppe, zu der die Stammzellforscher Hans Schöler aus Münster und sein Aachener Kollege Martin Zenke gehören, die Tübinger Zellen seien nicht pluripotent, »sondern aller Wahrscheinlichkeit nach schlichte Bindegewebszellen«. Zur Erklärung sagte Schöler (Direktor am Max- Planck-Institut für molekulare Biomedizin), der Skutella bereits früher kritisiert hatte: »Möglicherweise sind Experimente nicht rigoros durchgeführt und die Daten falsch interpretiert worden.«

Die Forschergruppe um Schöler wirft dem Tübinger Kollegen zusätzlich vor, sich nicht an die üblichen Forschungsstandards zu halten. So hätten andere Forscher die gewonnenen Zellen nicht zu Gesicht bekommen, was bei Veröffentlichungen in namhaften Fachjournalen gang und gäbe, teilweise wie bei »Nature« sogar verpflichtend ist. Auf diesem Wege werden Ergebnisse überprüfbar.

Das Vorgehen von Skutella hält der Zellbiologe Albrecht Müller von der Universität Würzburg »für untragbar«, wie er in einer Mitteilung des MPI erklärt. Weiter heißt es darin, es wachse bei Stammzellforschern inzwischen der Zweifel, ob die Tübinger Zellen überhaupt existieren.

Bei der Auswertung der 2008 veröffentlichten Ergebnisse und Bilder fanden die Münsteraner und Aachener Forscher nun heraus, dass »sich bei den Zellen keinerlei Ähnlichkeit mit menschlichen embryonalen Stammzellen finden lassen«. Vielmehr sei das Profil der in den Zellen aktiven Gene identisch mit dem von Bindegewebszellen (Fibroblasten). »Mit Zufall lässt sich derlei Übereinstimmung nicht erklären.« Naheliegender sei, dass Skutellas Team statt Stammzellen versehentlich Fibroblasten gezüchtet habe – solche Zellen ließen sich leicht aus menschlichem Hodengewebe gewinnen. Bei der Nachzüchtung in Münster stellte Schöler fest: »In allen relevanten Tests gleichen sich die beiden Zellarten wie ein Ei dem anderen.«

Dem hält Skutellas Gruppe in derselben Ausgabe von »Nature« (DOI 10.1038/nature09090) entgegen, Schölers Team habe die Experimente nicht exakt nachvollzogen. Daher könnten die Forscher aus Münster auch nicht die in Tübingen gewonnenen Zellen erhalten. Skutellas Team arbeitet nach eigenen Angaben zudem nun gerade daran, die gewonnen Stammzellen zu vermehren, um sie Kollegen zur Verfügung stellen zu können.

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