Neustart im Amphitheater

In Trier begeistern die diesjährigen Antikenfestspiele das Publikum unter anderem mit Sophokles

  • Birgit Reichert, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einjähriger Pause sind die Trierer Antikenfestspiele zurück –

unter anderem mit einer kraftvollen Inszenierung von »Ödipus/Antigone«. Den antiken Stoff im römischen Amphitheater zu erleben, ist für Künstler und Publikum etwas Besonderes. Zu den Festspielen in der ältesten Stadt Deutschlands werden bis zum 18. Juli rund 10 000 Zuschauer erwartet.

Trier. Ödipus schreit auf. Laut, eindringlich – fünfmal. Jeder neue Teil Wahrheit über sein grausames Schicksal schmerzt. Der Körper gekrümmt, die Augen aufgerissen, die Hände geballt. Mit dem fulminanten Sophokles-Doppelstück »Ödipus/Antigone« des Schauspiels Frankfurt sind vor wenigen Tagen in Trier die 12. Antikenfestspiele gestartet.

Das Gastspiel in einer Inszenierung von Michael Thalheimer wird in den kommenden Tagen noch mehrfach auf einer großen Steg-Freilichtbühne quer durchs römische Amphitheater aufgeführt. Aufs Wesentliche reduziert, eindringlich und mit viel Blut setzt der Regisseur mit einem 30-köpfigen Sprechchor und acht Schauspielern die großen Tragödien um Liebe, Macht und Tod um.

Mit dem bei der Premiere im Oktober 2009 umjubelten Stück legten die Trierer Festspiele nach einjähriger Pause einen spektakulären Neustart hin. »Das Stück ist so beeindruckend, weil es vor allem der Urform des griechischen Theaters gerecht wird«, sagte Festspiel-Intendant Gerhard Weber. Und das an einem antiken Spielort: »Eine ähnliche Spielstätte wie das Trierer Amphitheater gibt es in Mitteleuropa nicht mehr.« Auch für den Intendanten des Schauspiels Frankfurt, Oliver Reese, ist die knapp vierstündige Aufführung bei Sommertemperaturen besonders: »Diese Dimension der Antike hier zu spüren, ist wie ein Geschenk für uns«, sagte er. Und sie macht die Inszenierung anders als in Frankfurt. Die »Bühne« sei in Trier erweitert – Auftritte wurden auch auf den Hügel der fast 2000 Jahre alten Arena verlegt. Auch das Licht verändere: Ist es bei Ödipus noch taghell, geht Antigone im Dunklen über die Bühne. »Das passt«, sagt Reese. Ödipus sei »mehr der offene Streit auf einem Marktplatz« und Antigone »die Reise in die Finsternis«. Zu den Festspielen in der ältesten Stadt Deutschlands werden bis zum 18. Juli rund 10 000 Zuschauer erwartet.

Es sind die großen Mittel und Gesten, die Thalheimer – auf komplett leerer Bühne – einsetzt und die dem Stück seine Kraft geben. In den Bann ziehen das Publikum aber vor allem die Hauptdarsteller Marc Oliver Schulze (Ödipus/Kreon) und Constanze Becker (Iokaste/Antigone). Überzeugend durchleiden sie alle Qualen, die ihnen das Schicksal aufbürdet. Nach dem Ende müssen die blutverschmierten Schauspieler in einem Spezialbus ins Theater fahren, um sich abzuwaschen. »Im einem Amphitheater gibt es ja keine Duschen«, sagte Reese.

Die Festspiele wollen in diesem Sommer noch mit einer wiederentdeckten Oper punkten: »Nerone« von Arrigo Boito (1924) in einer Inszenierung von Andrea Schwalbach hat am 10. Juli Premiere. Die 1998 gegründeten Festspiele waren vergangenen Jahr 2009 unter anderem aus finanziellen Gründen ausgesetzt worden. Das Budget beläuft sich 2010 auf gut eine Million Euro.

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