Kriegt der Papiertiger endlich Zähne?
OECD-Leitsätze für Multis werden überprüft
Seit 1976 gibt es die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Ihr Ziel ist es, globale Unternehmensverantwortung zu fördern. Doch in der Praxis ist die Durchsetzung alles andere als einfach, monieren Kritiker. Sie appellieren an die Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), endlich Sanktionsmechanismen einzuführen.
Zehn Jahre ist seit der letzten Überarbeitung der Leitsätze vergangen. Was diese gebracht hat, überprüfen seit Mittwoch Experten am Sitz der OECD im Pariser Château de la Muette. Müssen sie ergänzt, erweitert oder angepasst werden, um wie gewünscht eine verantwortungsvolle Unternehmensführung in den OECD-Staaten und den elf weiteren Unterzeichnerländern zu etablieren? In den zehn Kapiteln werden Empfehlungen für verantwortliches Unternehmerverhalten bezüglich Transparenz, Arbeitsbeziehungen, Umwelt, Korruption, Verbraucherschutz, Technologietransfer, Wettbewerb und Steuern gegeben. Sie beziehen sich auf internationale Vereinbarungen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie die ILO-Kernarbeitsnormen und betonen das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung sowie das Vorsorgeprinzip.
Kritikern ist vor allem ein Dorn im Auge, dass die Leitsätze lediglich empfehlenden Charakter haben. Dem umfassenden Paket »fehlt es in der Praxis an Biss«, kritisiert Cornelia Heydenreich von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Die Referentin für Unternehmensverantwortung fordert echte Sanktionsmechanismen, denn bisher haben die Unternehmen kaum mehr als schlechte Presse zu befürchten, wenn sie gegen die OECD-Leitsätze verstoßen. Das kann aber weh tun, wie der Fall des deutschen Reifenherstellers Continental zeigt, der 2001 die Belegschaft eines mexikanischen Reifenwerks vor die Tür setzte und dabei mexikanisches Recht verletzte. Conti gab dem Streik der Arbeiter schließlich nach, weil deren internationale Aktivitäten dem Image des Unternehmens einige Kratzer zufügten, aber eben nicht aufgrund von Druck von Seiten der OECD. Das könnte sich nur dann ändern, wenn die Leitsätze entsprechend revidiert werden. Bis Mitte 2011 soll dieser Prozess dauern.
Organisationen wie Germanwatch, das kirchliche Hilfswerk Misereor oder Transparency plädieren für eine stärkere Verankerung des Schutzes der Menschenrechte in den Leitsätzen. Ferner regen sie an, als Sanktionsinstrument Unternehmen, die die Leitsätze verletzen, für einen bestimmten Zeitraum keine staatlichen Exportbürgschaften zu gewähren. Auch der Umgang mit den nationalen Kontaktstellen könnte neu justiert werden. In jedem OECD-Land können dort Beschwerden wegen Verstoßes gegen die Leitsätze vorgebracht werden, aber es ist nicht im Detail festgelegt, welche Aufgaben und Kompetenzen diese Kontaktstellen haben. Da herrscht Nachbesserungsbedarf, meint Shirley van Buiren von Transparency Deutschland. Die Korruptionsbekämpfer plädieren zudem dafür, dass die Leitsätze für alle Geschäftsaktivitäten und nicht nur bei Auslandsinvestitionen anwendbar sein müssen. Auch ein Grund, weshalb die deutsche Kontaktstelle im Bundeswirtschaftsministerium von 16 bisher eingegangenen Beschwerden zehn gleich ablehnte.
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