Feldjägereinsatz zum Abschied

In Münster protestierten Friedensaktivisten gegen Militärzeremonie

  • Michael Schulze von Glaßer, Münster
  • Lesedauer: 4 Min.
Repression gegen Kriegsgegner: Mit Anzeigen, mindestens einer Festnahme und zahlreiche Schikanen reagierten Polizei und Bundeswehr am Mittwoch im westfälischen Münster auf Proteste gegen eine Militärzeremonie. Auch die Arbeit von Pressevertretern wurde eingeschränkt.

Das Lufttransportkommando der Bundeswehr aus Münster feierte am Mittwoch seine Auflösung. Die Einheit wird mit Militäreinheiten anderer EU-Länder zentralisiert, die Lufttransporte werden nun aus dem niederländischen Eindhoven kommandiert. Am Nachmittag konnten Militärs und Lokalpolitiker noch in Ruhe hinter der Kasernenmauer einen feierlichen Appell durchführen und einem Geschwader von Militärtransportflugzeugen beim Schauflug über die Stadt zusehen.

Bei der öffentlichen Abschiedszeremonie am Abend vor dem Schloss war es dann nicht mehr so gemütlich. Rund 250 Friedensaktivisten empfingen Militärs und Offizielle mit Trommeln, Trillerpfeifen und den von der Fußball-Weltmeisterschaft bekannten Vuvuzelas. Die Münsteraner »Friedensinitiative Pulverturm« hatte gemeinsam mit anderen linken Gruppen zum Protest »Gegen Militärspektakel und Auslandseinsätze« aufgerufen.

Schläge und Anzeigen

Das geplante Programm der angemeldeten Friedenskundgebung auf dem nahegelegenen Hindenburgplatz wurde jedoch nicht durchgeführt und die Kundgebung schon kurz nach Beginn wieder aufgelöst. Nun strömten die Friedensaktivisten – darunter auch bunt gekleidete und herumtollende Mitglieder der »ClownsArmy« – direkt an die Absperrgitter vor dem barocken Schloss. Die schwarz gekleideten, behelmten und mit Fackeln ausgestatteten Soldaten wurden beim Einmarsch auf dem Schlossplatz von einem lauten Getöse empfangen. Eine Hundertschaft der Polizei sowie Feldjäger der Bundeswehr drängten die Demonstranten jedoch schnell zurück. Die Stadt Münster hatte der Bundeswehr für den Abend das Hausrecht auf dem Schlossplatz übertragen. Es wurde dann gemeinsam mit der Polizei gewaltsam durchgesetzt: Friedensaktivisten wurden geschlagen und geschubst, mindestens ein Aktivist wurde von der Polizei festgenommen, zahlreiche Anzeigen wurden erlassen.

Strom wurde abgeschaltet

Bernd Drücke, Mitorganisator des Protests, zeigte sich schockiert: »Die aggressive Stimmung der Polizei war außergewöhnlich.« Er vermutet, dass die Aggressivität der Ordnungshüter auch mit der negativen Berichterstattung der lokalen Presse zutun hatte.

Die Friedensaktivisten hatten im Vorfeld kritisiert, dass sich die Bundeswehr mit der Zeremonie in eine Traditionslinie mit der Wehrmacht stelle. Diese hatte 1938 eine ähnliche Militärzeremonie vor dem Münsteraner Schloss durchgeführt. »Bundeswehr-Gegner ziehen Nazivergleich«, titelte die Münstersche Zeitung am Dienstag und witterte einen Skandal.

Als maßlos und vollkommen unangemessen bezeichnete Ali Atalan, NRW-Landtagsabgeordneter der Linkspartei und Anmelder der Friedenskundgebung, das Vorgehen von Polizei und Bundeswehr am Mittwochabend. Aufhalten ließen sich die Friedensaktivisten dennoch nicht. Sie machten in etwa 100 Metern Entfernung zur Militärveranstaltung weiter Lärm. Dabei mussten sie allerdings ohne Licht auskommen: auf Befehl der Polizei hatten die Stadtwerke Münster auf dem Areal vor dem Schloss den Strom abgestellt. Die Ordnungshüter vermuteten wohl, die Militärzeremonie könnte mittels einer Musikanlage im Haus des Allgemeinen Studierendenausschusses direkt vor dem Schloss gestört werden. Von der Stromabschaltung waren auch Straßenbeleuchtungen und Ampeln einer Hauptstraße betroffen.

Auch die Arbeit der Presse wurde eingeschränkt: Trotz zuvor von der Bundeswehr bestätigter Akkreditierung und trotz Vorzeigen des Presseausweises wurde dem Autor dieser Zeilen der Zutritt in den umzäunten Bereich der Militärzeremonie durch Feldjäger verwehrt. Später war nicht einmal mehr der Zugang vor die Absperrgitter möglich, wo etwa 50 Bürgerinnen und Bürger der Armee-Veranstaltung zusahen.

Gründe für die Behinderung wollten die Militärpolizisten nicht nennen, man führe nur Befehle aus. Auch ein Gespräch mit dem Pressesprecher des Luftwaffentransportkommandos wurde abgewiesen. Der Sprecher habe keine Zeit, so die Feldjäger, er sei beschäftigt, das Funkgerät zum Kontaktieren des Sprechers sei kaputt. Die Journalisten der Lokalpresse hingegen konnten sich überall frei bewegen.

Positives Fazit

Die Organisatoren des Friedensprotests zogen trotz der umfangreichen Schikanen ein positives Fazit. Die Marschmusik sei wegen des Lärms der Demonstranten nicht zu hören gewesen, freute sich Bernd Drücke.

Ali Atalan forderte zu weiteren Protestaktionen auf: »Egal wo solche Veranstaltungen stattfinden muss es Gegendemonstrationen geben.« Die Militarisierung des öffentlichen Raums müsse verhindert werden. Wer – wie die Bundeswehr in Münster – die Öffentlichkeit suche, müsse sie auch ertragen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.