Land nach dem Lächeln
Hannover: Christian Wulff hinterlässt seinem Nachfolger viel Unerledigtes
Niedersachsens Landeshauptstadt steht in dem Ruf, zuweilen ein bisschen öde zu sein. Selbst Hannovers bekannteste Abiturientin hat gerade angekündigt, nach Berlin zu ziehen. Doch während der Bundesversammlung am Mittwoch dürfte sich so mancher auf Regierungsseite insgeheim an die ruhigen Gestade der Leine gewünscht haben. Dort lief am Donnerstag die Machtübergabe von Christian Wulff an seinen schon lange platzierten Thronfolger David McAllister wie am Schnürchen.
Eine Stunde dauerte das Ganze – und mit einer Enthaltung und einem Nein aus den eigenen Reihen wird der 39-Jährige leben können. Zwei Jahre hat der nunmehr jüngste Ministerpräsident der Republik bis zur nächsten Landtagswahl. Unter gegebenen Umständen ist das keine einfache Situation. McAllister, der bisher als Austeiler aufgefallen ist (»Kommunisten ... sollen sich vom Acker machen«), wird sich an die Defensive gewöhnen müssen.
Noch 2008 hatte er als Fraktionschef den »ausgeglichenen Landesetat 2010« zur »obersten Priorität« ausgerufen. Ein Jahr später sprach er bereits von 2017. In seiner Regierungserklärung sprach er nun von 2020. Allein für 2010 musste das Land auf dem Papier 2,3 Milliarden Euro aufnehmen; tatsächlich sogar noch mehr, doch wurden per Buchungstricks Rückstellungen aus 2009 einbezogen.
Nun soll im August eine Kürzungsklausur stattfinden. Wo genau der Rotstift angesetzt werden soll, sagte McAllister am Donnerstag noch nicht. Erst danach werde er verdeutlichen, dass »bestimmte Bereiche nicht mehr im gleichen Umfang wie bislang Finanzmittel erhalten können«.
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Ein Spaziergang wird der Sparkurs nicht. Trotz der Feierlaune, die sich zuletzt über die Landes-CDU gelegt hatte, kündigt sich bereits Widerstand bei relativen Kleinigkeiten an. Gleich drei CDU- Abgeordnete aus Braunschweig machen etwa Front gegen Einsparungen bei der dortigen Landesbehörde für Geoinformation.
Auch einem anderen innerparteilichen Großkonflikt ist der ewig lächelnde Wulff aus dem Weg gegangen: Dem Streit um das dreigliedrige Schulsystem. Die frühe Trennung der Schüler gehört zwar zum Allerheiligsten einer westdeutschen Flächenland-Union. Doch hatten sich Ende des vergangenen Jahres mit Hans-Heinrich Ehlen (Agrar) und Mechthild Ross-Luttmann (Soziales) gleich zwei CDU-Minister der CDU pragmatisch für Gesamtschulen ausgesprochen: Anders sei die wohnortnahe Versorgung mit allen Schultypen bei sinkender Schülerzahlen nicht möglich. Zudem hinterlässt Wulff eine tiefe Zerrüttung mit dem Landesvorsitzenden der Lehrergewerkschaft GEW, den der neu gewählte Bundespräsident in einem politischen Zusammenhang persönlich scharf attackiert hatte.
»Ideenlosigkeit und Aussitzen« hätten seine Regierung geprägt, hat die niedersächsische Linksfraktionschefin Kreszentia Flauger Wulff hinterhergerufen. McAllister hat angekündigt, von der »gleichen Marke« ein »anderes Modell« zu liefern. In der im Land höchst umstrittenen Frage atomarer Endlager hat er schon mal vorgelegt: Es müssten auch die »Interessen der Landesbevölkerung berücksichtigt« werden, sagte er.
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