Kampf gegen Klimakatastrophe: Kohlen­­dioxid­­­­­sauger in Island

Klimaaktivisten bleiben skeptisch gegenüber der Methode, CO2 aus der Luft zu filtern und in festes Basaltgestein zu verwandeln

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 12 Min.
Die Mammoth-Anlage in Island in einer grafischen Illustration. Hier sollen bis 2050 jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2 der Atmosphäre entzogen werden.
Die Mammoth-Anlage in Island in einer grafischen Illustration. Hier sollen bis 2050 jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2 der Atmosphäre entzogen werden.

Am Fuße eines ruhenden Vulkans, rund 35 Kilometer östlich von Islands Hauptstadt Reykjavík, steigt Maxim Willemse aus seinem Auto. Er zieht den Helm tief ins Gesicht, ein eisiger Wind pfeift. Unter seinen Stiefeln knirscht pechschwarzes Lavagestein. Willemse, 38, ein freundlicher Mann mit blonden Haaren, Vollbart und aggressiv leuchtender Schutzjacke, bleibt vor einem hohen Gestell stehen. Daran sind Paneele befestigt, die an Luftgitter einer Klimaanlage erinnern. »Dort sind die Ventilatoren, die die Luft einsaugen.« Was hier in Zukunft geschehen soll, könnte den Kampf gegen die Klimakrise verändern. Das glaubt zumindest Willemse.

Die Anlage heißt »Mammoth«. Urzeitlich sieht sie aber nicht aus, eher futuristisch, fast wie ein Raumschiff. Willemse ist Physiker, seine Arbeit beschreibt er so: Das Problem dorthin bringen, wo es herkam. Heißt: Hier filtern sie CO2 aus der Luft und pressen es in Basaltgestein. »Direct Air Capture« nennt sich die Technologie, kurz DAC. Die Schweizer Firma Climeworks hat den größten Kohlendioxid-Sauger der Welt im Mai in Betrieb genommen. Der Weltklimarat sieht solche Technologien als entscheidend, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Doch ist es wirklich möglich, die Klimakatastrophe mit technischen Mitteln aufzuhalten?

Willemse stapft um das Gebäude herum. Die Landschaft wirkt wie aus einem Reisekatalog: Vulkane, moosbedeckte Weiden und Bäche, gehüllt in ein geheimnisvolles Nebelgewand. Eigentlich, sagt Willemse, sei es ganz simpel. Kurz hält er inne, dann grinst er. Na gut, so einfach sei es dann doch nicht. Die »Mammoth«-Anlage saugt Luft mithilfe von Ventilatoren in spezielle Module. Dort strömt die Luft über chemische Filter, die das CO2 binden. Andere Gase wie Stickstoff und Sauerstoff ziehen ungehindert hindurch. Sobald die Filter gesättigt sind, werden sie durch Erhitzen regeneriert. So wird das CO2 freigesetzt und für die Speicherung aufgefangen. Im nächsten Schritt wird das Kohlendioxid mit Wasser vermischt und dann von einem Partnerunternehmen in die Tiefe gepumpt. Innerhalb weniger Jahre verwandelt es sich in festes Gestein.

Island und Klimawandel

In gerade einmal 20 Jahren hat Island rund 750 Quadratkilometer an Gletscherfläche verloren – eine Fläche, die in etwa der Größe des Stadtstaates Singapur entspricht. Die Auswirkungen der Erderwärmung sind spürbar, und Gletscher sind zu einem wichtigen Indikator für den Klimawandel geworden. 2019 wurde in Anwesenheit der damaligen Premierministerin Katrín Jakobsdóttir ein Denkmal für den Gletscher Okjökull errichtet, nachdem dieser als »tot« erklärt worden war. Expert*innen warnen, dass es allen isländischen Gletschern innerhalb der nächsten 200 Jahre ähnlich ergehen könnte.
Auch die Häufigkeit von Extremwetterereignissen nimmt infolge des Klimawandels zu. Auf der einen Seite treten Dürren auf, die negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Auf der anderen Seite kommt es vermehrt zu heftigen Regenfällen, die vielerorts Erdrutsche auslösen. Ganze Dörfer wurden unter Schlamm begraben.
Gleichzeitig freuen sich manche Isländer*innen insgeheim über die milderen Temperaturen und längeren Sommer. Auch der boomende Tourismus profitiert teilweise von den Klimaveränderungen. Die Vulkanlandschaften, heißen Quellen und die berühmten Islandpferde ziehen immer mehr Tourist*innen an. Influencer aus der ganzen Welt strömen ins Land und haben Island durch die sozialen Medien zu einem der attraktivsten Ziele gemacht. Viele kommen inzwischen auch mit dem Ziel, die Gletscher noch einmal zu sehen, bevor es zu spät ist – ein Phänomen, das auch als »Last Chance Tourism« bezeichnet wird. Dieser Trend ist jedoch nicht ungefährlich. Im August 2024 stürzte eine Eishöhle ein, ein Tourist kam ums Leben und drei weitere wurden schwer verletzt. Ob der Klimawandel direkt zu diesem Unfall beigetragen hat, ist unklar. Dennoch warnen Expert*innen davor, dass die Gletscherschmelze weitere Katastrophen verursachen könnte.
Die klimatischen Veränderungen locken auch zunehmend Urlauber*innen zu »Coolcations« an – Menschen, die den heißen Sommern ihrer Heimat entkommen wollen. Für dieses Jahr werden mehr als zwei Millionen Besucher*innen im »Land aus Feuer und Eis« erwartet. Island profitiert erheblich von diesem Tourismusboom, der 2023 rund 8,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte.

Einen Beitrag zur Rettung der Welt – nichts Geringeres hat sich die Zürcher Firma mit ihren Luftsaugern zum Ziel gesetzt. Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 ist die Belegschaft auf fast 500 Mitarbeitende angewachsen, einer der prominentesten Kunden ist der Milliardär Bill Gates. 2021 nahm Climeworks den Prototyp Orca in Betrieb. Er steht nur ein paar hundert Meter von der neuen Anlage »Mammoth« entfernt. Diese soll nun das Zehnfache an CO2 einfangen können. Im Foyer geht Willemse zu einem Holzmodell und schaltet die Beleuchtung an. »Mit 72 Containern werden wir Luft aus der Atmosphäre ansaugen.« Noch in diesem Jahr soll die Anlage auf Hochbetrieb laufen.

Der Niederländer Willemse kam vor zwei Jahren nach Island. Vorher lebte der Technik-Nerd in Asien, tüftelte sein ganzes Berufsleben an nachhaltigen Technologien. Im Inneren des Stahl-Mammuts läuft er durch ein dichtes Netz aus Rohren, Leitungen, Pumpen und Generatoren. Rund um die Uhr wird hier gearbeitet, es gibt strenge Vorschriften: Helm und Schutzbrille sind Pflicht, grüne Linien auf dem Boden markieren den sicheren Bereich. Es ist so laut, dass Willemse brüllen muss. »Dort oben wird das Kohlendioxid zwischengespeichert.« Er zeigt auf einen riesigen Ballon, der unter der Hallendecke schwebt. So wird ein gleichmäßiger CO2-Fluss sichergestellt, entscheidend für den Prozess.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen auch Restemissionen aus der Atmosphäre geholt werden. Das sind Emissionen, die derzeit als »unvermeidbar« gelten, wie die der Zementindustrie oder Abfallverbrennung. Gerade hier könnte die DAC-Methode tatsächlich eine entscheidende Rolle spielen. Auch andere Länder setzen zunehmend auf CO2-Abscheidung und -Speicherung, kurz CCS. Norwegen lagert seit vielen Jahren Kohlendioxid in erschöpften Ölfeldern in der Nordsee. Die Niederlande und Großbritannien entwickeln ebenfalls entsprechende Technologien, während die Methode in Deutschland umstritten ist. Angesichts des Scheiterns der Klimaziele gibt es noch radikalere Methoden. Geoengineering werden Technologien genannt, die die Umwelt aktiv verändern wollen. Forscher*innen testen Möglichkeiten, riesige Spiegel ins All zu schießen, Wolken aufzuhellen oder Ozeane zu düngen. Expert*innen sehen solche »Klimainterventionen« kritisch: zu teuer, zu unpraktisch, zu riskant.

Island bietet die besten Voraussetzungen

Im Vergleich dazu gelten DAC-Verfahren als weitgehend sicher, mit nur wenigen ökologischen Nebenwirkungen und vor allem ohne direkte Eingriffe in das Klima. Island ist besonders attraktiv für die Industrie. Das liegt zum einen an der Technikaffinität der Inselbewohner*innen. Trotz der geringen Bevölkerung – weniger als 400 000 Menschen – ist das Land bei der Digitalisierung weit vorne, verfügt über eine aktive Start-up-Szene, gilt als ein Pionier für Kryptowährungen. Das Klima mit Technik retten? Das findet bei vielen Bewohner*innen großen Anklang. Der zweite Standortvorteil hängt mit den geologischen Gegebenheiten der Insel zusammen. Die DAC-Technologie benötigt enorm viel Wasser und Energie – beides reichlich vorhanden. In Island wird der Großteil des Warmwassers und Stroms aus Geothermie gewonnen. Die Insel beherbergt einige der aktivsten Vulkane der Erde und produziert pro Kopf die höchste Menge an erneuerbarer Energie.

In Basalt versteinertes CO2
In Basalt versteinertes CO2

Der Strom für die »Mammoth«-Anlage stammt vom Geothermiekraftwerk Hellisheiði. Es liegt nur rund einen Kilometer entfernt, ist über dicke Rohre verbunden. In bunte Outdoorkluft gehüllte Menschen marschieren in Grüppchen über das Gelände, im firmeneigenen Shop gibt es Bücher und Vulkanseifen zu schwindelerregenden Preisen zu kaufen. Islands Energiequellen haben sich zu Touristenmagneten entwickelt. Das liegt auch daran, dass Geothermie einen minimalen CO2-Fußabdruck hat. »Das war für uns entscheidend«, betont Willemse. Treibhausgase aus der Luft filtern, dabei kaum Emissionen verursachen – was könnte daran falsch sein?

»Für mich ist das eine Ablenkung von den eigentlichen Problemen«, sagt Cody Skahan. Der US-Amerikaner, 24 Jahre, blond gefärbte Haare, Wollpulli im Secondhandshop-Stil, sitzt in einem Raum mit skandinavischen Möbeln und minzgrünen Wänden – ein Co-Working-Space im Zentrum Reykjavíks. Skahan ist Klimaaktivist und Anthropologe. Er forscht über die Wahrnehmung der Klimakrise und die DAC-Technologie. Vor einigen Wochen besuchte er die »Mammoth«-Anlage. »Technik wie aus einem Science-Fiction-Film.« Auch er glaubt, dass die Methode sicher ist. Jedoch vermittle sie eine falsche Vorstellung: Dass es möglich sei, die globale Erderwärmung zu verlangsamen, ohne fossile Brennstoffe abzuschaffen. Ja, ein bisschen Kohlenstoff sauge sie schon ab, gehe das Problem aber nicht an der Wurzel an. Business as usual statt effektiver Klimaschutz.

Der effektivste Weg, CO2 zu reduzieren, ist immer noch, Öl, Gas und Kohle erst gar nicht aus dem Boden zu holen.

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Als nachhaltig, sozial und umweltbewusst präsentiert sich Island gerne. Und tatsächlich gibt es viele Umweltschutzorganisationen, das Land zahlt verhältnismäßig viel in Loss-and-Damage-Funds ein. Die andere Seite der Medaille: Der selbsterklärte Klima-Primus gehört zu den größten Pro-Kopf-Emittenten von Treibhausgasen. Das liegt daran, dass fast alle Produkte mit Schiffen oder Flugzeugen auf die Insel gebracht werden müssen. Und auch am Konsumverhalten, meint Skahan. Viele Isländer*innen seien zwar bereit, von Verbrennern auf E-Autos umzusteigen. Nicht bereit seien sie hingegen, auf Flugreisen nach Teneriffa zu verzichten.

Und der Klima-Aktivismus ist zahmer als im Rest Europas. »Es ist nicht praktisch, hier allzu radikal zu sein«, meint Skahan. Das Land sei klein, man kenne sich untereinander, und wisse schließlich nicht, ob man mit allzu lauter Kritik einen Bekannten oder den Nachbarn angreife. Auch sind die Wege zwischen Zivilgesellschaft und Politik kürzer als anderswo. Regelmäßig gebe es Treffen mit dem Umweltminister, erzählt der Aktivist. »Wir müssen sie nicht unbedingt mit Gegenständen bewerfen, sie reden mit uns.« Bei einem Treffen im Umweltministerium riet ein Mitarbeiter: Seid ruhig konfrontativer, macht mehr direkte Aktionen. Trotz aller Dialogbereitschaft, viele Vorschläge werden einfach ignoriert.

CO2 in den Boden pumpen, um weiter Öl zu verbrennen

Der Glauben, den Klimawandel mithilfe von Technologie aufhalten zu können, zieht sich durch fast alle politische Lager. Auch weil die DAC-Technologien für Island mittlerweile eine bedeutende Wachstumschance darstellen. Das Land strebt danach, ein Vorreiter für die Technologie zu werden. Laut Skahan ist ein Ausstieg aus fossilen Energien die einzige wirkliche Lösung, um den Klimawandel zu bekämpfen. Doch ursprünglich wurde CCS entwickelt, um genau das Gegenteil zu erreichen.

Es waren Ölunternehmen, die die ersten Technologien erprobten. Und die Branche bleibt bis heute eng mit der fossilen Industrie verflochten. So baut der Ölriese Occidental Petroleum derzeit in Texas eine DAC-Anlage mit einer zehnmal höheren Kapazität als »Mammoth«. Ohne Umschweife räumte die Geschäftsführerin Vicki Hollub ein, dass sie die Technologie nutzen wolle, um die Ölindustrie zu bewahren. Noch »60, 70, 80 Jahre« solle es weitergehen. Einige Unternehmen gehen noch weiter und nutzen CCS gezielt als Werkzeug: Sie pumpen das Treibhausgas in den Boden, um so noch mehr Öl herauszuquetschen – ein Verfahren, das als »Enhanced Oil Recovery« bezeichnet wird. Auch viele Kohlefirmen haben das Potenzial von CCS für sich entdeckt, ihre Rechnung: einfach weiter wie bisher und das CO2 irgendwann aus der Atmosphäre holen. Sind Anlagen wie »Mammoth« also ein Vorwand, um die Verbrennung fossiler Brennstoffe fortzusetzen? Ein Feigenblatt für die fossile Industrie?

Willemse weicht der Frage aus, antwortet nur: Einige Mitarbeiter*innen von Climeworks hätten zuvor in der Öl- und Gasindustrie gearbeitet und brächten wertvolle technische Expertise mit. Nach seinem Wissen gebe es jedoch in seiner Firma keine Investor*innen aus der fossilen Industrie. Besonders attraktiv an der Methode ist, dass sie präzise Auskunft darüber gibt, wie viel Kohlenstoff tatsächlich der Atmosphäre entzogen wird. Und im Gegensatz zu neu gepflanzten Bäumen, die abgeholzt werden oder Bränden zum Opfer fallen könnten, versprechen Firmen wie Climeworks eine dauerhafte Speicherung des Kohlendioxids. Zwei überzeugende Verkaufsargumente, die offenbar großen Anklang finden: Climeworks hat mächtige Partner wie Microsoft, JP Morgan und UBS gewonnen, die Verträge zum Erwerb von Carbon Credits abgeschlossen haben. Um ihren ökologischen Fußabdruck auszugleichen – oder, wie andere es formulieren würden, sich ein reineres Gewissen zu erkaufen.

Dass Climeworks so viel Aufmerksamkeit erhält, verdankt das Unternehmen auch seiner Partnerin: Carbfix, einer Tochtergesellschaft des kommunalen Unternehmens Reykjavik Energy. Antonia Hamann, 27 Jahre alt, eine Deutsche mit hellblondem Haar und huskyblauen Augen, fährt im firmeneigenen Tesla über das Gelände. Überall steigt Dampf auf, der Geruch von Schwefel liegt in der Luft, auf einem Hügel grasen Schafe. Sie hält vor einer weißen, igluförmigen Stahlkuppel. »Unser Injektionsbrunnen«, sagt Hamann und öffnet die schwere Tür. Sie deutet auf ein dickes Rohr, das im Boden verschwindet: »Hier wird die CO2-Lösung in etwa 700 Meter Tiefe ins Basaltgestein gepumpt.«

Das geologisch junge Vulkangestein ist aufgrund seiner mineralischen Zusammensetzung besonders geeignet für die CO2-Speicherung. Der poröse Basalt bietet viel Raum zur Bindung und enthält reichlich Kalzium, Magnesium und Eisen – Elemente, die in der Lage sind, Kohlenstoff durch chemische Reaktionen in feste Karbonate umzuwandeln. So kann es nicht mehr in die Atmosphäre zurückkehren. Es wird im wahrsten Sinne des Wortes versteinert. Dieser Prozess, der in der Natur normalerweise Tausende von Jahren dauert, wird durch das Carbfix-Verfahren auf nur zwei Jahre verkürzt. »So sieht das Endprodukt aus«, sagt Hamann und hält einen länglichen Stein mit weißen Einsprengseln in die Höhe. Islands Potenzial ist groß. Der Boden besteht zu 90 Prozent aus Basaltgestein, man könnte problemlos ein Vielfaches der jährlichen weltweiten Emissionen hier speichern. Zumindest theoretisch.

Ein Tropfen auf dem heißen Stein

Bislang verwandeln Climeworks und Carbfix jährlich weniger als 40 000 Tonnen CO2 in Gestein – das entspricht etwa den Emissionen von 10 000 Benzinautos, die ein Jahr lang stillgelegt werden. »We are scaling up«, sagt Willemse, »wir fahren hoch«. Die Firma plant, auch in anderen Regionen CO2 aus der Luft zu saugen, es gibt Pläne für Projekte in den USA, Kenia und Kanada. Das Ziel: Bis 2050 will Climeworks jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Doch angesichts eines weltweiten CO2-Ausstoßes von 37,5 Milliarden Tonnen pro Jahr bleibt dies ein Tropfen auf dem heißen Stein. Willemse betont: »Wir werden den Klimawandel natürlich nicht allein aufhalten können.«

Das wohl größte Problem der DAC-Technologie ist ihr enormer Energiebedarf: etwa 2500 Kilowattstunden Strom pro Tonne CO2 – mehr, als ein typischer deutscher Zweipersonenhaushalt in einem Jahr braucht. Damit keine neuen Emissionen entstehen, muss diese Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen. Doch abgesehen von Island verfügt kaum ein Land im Überfluss darüber. Die Frage, woher die gigantischen Energiemengen kommen könnten, um relevante Mengen CO2 abzuscheiden, bleibt ungelöst. Selbst bei einem weitreichenden Ausbau von Wind-, Solar- oder Geothermieanlagen könnte es schwierig sein, den Energiebedarf von DAC zu decken, ohne in Konkurrenz zu anderen dringenden Anwendungen wie der Elektrifizierung des Verkehrs zu treten.

Auch die Kostenfrage bleibt ein Problem: Die CO2-Abscheidung nach isländischem Modell kostet derzeit zwischen 500 und 1000 US-Dollar pro Tonne. Multipliziert man diesen Betrag mit den jährlichen globalen Emissionen, würden sich gigantische Kosten in Höhe von mehreren Billionen US-Dollar pro Jahr ergeben. Zwar könnten die Kosten durch weitere Anlagen und verstärkte Forschung sinken. Doch bleiben sie voraussichtlich immer noch deutlich höher als bei herkömmlichen Methoden. So liegen die Preise für gängige Carbon Credits, etwa durch Aufforstungsprojekte, meist nur bei zehn bis 30 Dollar pro Tonne. CCS-Methoden könnten also die Kosten für Öl und Gas erheblich erhöhen. Ob eine Umlegung dieser Kosten auf die Verbraucher*innen tatsächlich zu einem Umdenken führen wird, darf bezweifelt werden.

In der EU regelt der Emissionshandel zwar bereits die CO2-Bepreisung. Einige fordern jedoch, Unternehmen noch stärker in die Pflicht zu nehmen, die weiterhin Emissionen verursachen. Firmen sollten für jede Tonne Kohlenstoff, die sie durch ihre Geschäftsmodelle emittieren, den jeweils niedrigsten Preis für die CO2-Entfernung aus der Luft zahlen oder das CO2 selbst abscheiden. Willemse sieht hierin einen Ansatz, Unternehmen zu einem Umdenken zu bringen, denn: Langfristig sei es günstiger, Emissionen direkt zu reduzieren, als sie später wieder aus der Atmosphäre zu saugen.

Für Klimaaktivist Skahan sind Technologien wie »Mammoth« ein Symbol dafür, dass etwas grundlegend falsch läuft. Man sei bereit, die Spitze der Emissionen mit sündhaft teuren Technologien abzusaugen, wolle aber viele klimaschädliche Aktivitäten nicht aufgeben. Island hält beispielsweise an einer Reihe von Aluminiumschmelzen fest. Völlig unnötig, meint der Aktivist, da Aluminium eines der am besten recycelbaren Materialien ist. Auch der Verlust von Feuchtgebieten, die große Mengen Kohlenstoff speichern, hat einen erheblichen Einfluss. Schätzungen zufolge stammen bis zu zwei Drittel aller Treibhausgasemissionen in Island aus trockengelegten Feuchtgebieten. Es gibt zahlreiche Renaturierungsprojekte, online kann man ganz einfach mit einem Mausklick für die Wiederherstellung dieser Feuchtgebiete spenden. Der effektivste Weg, CO2 zu reduzieren, ist jedoch laut Skahan immer noch einer: Öl, Gas und Kohle erst gar nicht aus dem Boden zu holen.

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