Militärisch oder zivil?

Über Hemmnisse und Perspektiven bei der Konfliktbearbeitung

  • Lesedauer: 5 Min.
Wolfgang Heinrich ist beim Evangelischen Entwicklungsdienst als Referent für Frieden und Konfliktbearbeitung im Ressort Inland und Entwicklungspolitik tätig. Über den Zivilen Friedensdienst, »zivil-militärische Zusammenarbeit« und »vernetzte Sicherheit«, sprach mit ihm für Neues Deutschland Gisela Dürselen.

ND: Im Sommer soll der dritte Umsetzungsbericht der Bundesregierung zum Aktionsplan zur zivilen Krisenprävention erscheinen, der erstmals 2004 verabschiedet wurde. Welche Rolle spielt der Plan für die deutsche Außenpolitik heute?
Heinrich: Bei der Verabschiedung des Aktionsplanes verfolgte die Bundesregierung die Absicht, mehr Kohärenz zwischen den verschiedenen Ressorts im Umgang mit Krisen- und Konfliktsituationen herzustellen. Damit hat sie eine Forderung aufgegriffen, die schon lange von der friedens- und entwicklungspolitisch engagierten Zivilgesellschaft in Deutschland erhoben worden war. In der Gestaltung der praktischen Politik, insbesondere der Außenpolitik, können wir als Außenstehende aber noch keinen Einfluss des Aktionsplanes feststellen.

Dennoch ist er weiterhin ein wichtiges Instrument der Politik. Wir setzen große Hoffnungen darauf, dass mit der Gründung des Unterausschusses »Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit« des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages beiden Anliegen verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Aus unserer Sicht geht es nämlich nicht nur um mehr Abstimmung zwischen den Ministerien und eine kohärentere Politik gegenüber Staaten, die sich in Krisen und Kriegssituationen befinden. Es geht auch darum, dem Primat der politischen, der zivilen Konfliktbearbeitung wieder Geltung zu verschaffen.

Was kann Ihrer Meinung nach der neue Unterausschuss »Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit« leisten?
Der Unterausschuss ist gerade dabei, sich zu konstituieren und seine Aufgabe zu finden. Wir registrieren mit großer Freude, dass er aktiv auf Akteure aus der Zivilgesellschaft zugeht. Er kann dem Aktionsplan und seinen beiden leitenden Anliegen wieder größere Bedeutung verschaffen. Ich hoffe sehr, dass der Unterausschuss darauf achten wird, dass sich das im Aktionsplan formulierte Bekenntnis zu Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung in der politischen Praxis tatsächlich nachvollziehen lässt. Der Unterausschuss könnte auch das Forum bieten, wo Politik, Militär und Zivilgesellschaft gleichberechtigt miteinander ins Gespräch kommen. Das wäre etwas wirklich Neues.

Sieben Jahre nach einer ersten Evaluierung des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) will das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in diesem Sommer eine zweite Evaluierung veröffentlichen. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse eine neue Weichenstellung einläuten. Wie ergebnisoffen kann die Weiterentwicklung der Zivile Friedensdienst unter einem dezidiert ZFD-kritischen Minister Dirk Niebel sein?
Zunächst einmal ist es meines Erachtens nicht unbedingt falsch, kritisch auf bestehende Strukturen und Verfahren zu blicken. Wir können nur hoffen, dass dies eine vorurteilsfreie, ehrliche und ergebnisoffene Evaluierung nicht ausschließt. Für unseren Teil können wir feststellen, dass die zivilen Friedensfachkräfte, die über das ZFD-Programm vermittelt werden, für die Menschen in Krisensituationen einen enorm wichtigen Dienst leisten. Bürgerkriege sind die heute am häufigsten stattfindenden Gewaltkonflikte.

Nach dem Ende eines Bürgerkriegs kann jemand, der meine Familienangehörigen umgebracht hat, plötzlich mein Nachbar sein. Gerade bei der Aufarbeitung von Kriegserfahrungen und Traumatisierung, beim Wiederherstellen von Beziehungen leisten die über das ZFD-Programm vermittelten Fachkräfte inzwischen unverzichtbare Dienste.

Seit seinen Anfängen 1999 hat sich der ZFD in Deutschland zwar sehr professionalisiert, fristet aber im Vergleich zum Militär nach wie vor ein Nischendasein. Wie kann der ZFD zu mehr Geltung und Sichtbarkeit – in Politik und Gesellschaft – gelangen?
Wenn man den offiziellen Zahlen folgt, kostet der Afghanistaneinsatz allein den US-Steuerzahler pro Minute über 58 000 Dollar. Von solchen Zahlen kann die Entwicklungspolitik nur träumen. Aber es ist nicht nur, und in meinen Augen auch nicht in erster Linie, eine Frage der Mittelausstattung. Viel bedeutender ist die Frage: Welchen Stellenwert räumt die Politik, räumen die Medien Methoden und Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung ein? Welche Aufmerksamkeit schenken sie den Organisationen und Menschen, die auf diesem Feld mit großem Engagement und oft unter sehr hohem Risiko arbeiten? Hier hat sich zwar vieles verbessert, aber es ist lange noch nicht gut.

Wenn auf Regierungsebene über den Einsatz ziviler Akteure in Konfliktgebieten diskutiert wird, tauchen immer wieder die Begriffe »vernetzte Sicherheit« und »zivil-militärische Zusammenarbeit« auf. Wie können zivile Akteure verhindern, dass sie von der Logik der Militärs einverleibt werden?
Das Reden von der »vernetzten Sicherheit« und »zivil-militärischer Zusammenarbeit« birgt in der Tat ein sehr hohes Risiko der Vereinnahmung zivilgesellschaftlicher Initiativen und Organisationen durch die Politik. Es besteht auch das Risiko, dass zivilgesellschaftliche Akteure politisch instrumentalisiert werden wie es unter George W. Bush in den USA geschah. Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen hat sich deshalb wiederholt sehr deutlich zu Wort gemeldet und darauf hingewiesen, dass die nichtstaatlichen Organisationen ihren eigenständigen Gestaltungsraum haben müssen. Dies gilt für nichtstaatliche Organisationen vor Ort ebenso wie für die nichtstaatlichen Organisationen in Deutschland.

Ein weiterer Aspekt, der in der Debatte über »vernetzte Sicherheit« aus meiner Sicht nicht hinreichend berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass für viele Menschen, die seit vielen Jahren in Bürgerkriegssituationen – wie Afghanistan oder Somalia – leben, Menschen in Uniform und mit Waffen eben nicht Vertrauen erwecken. Nur weil in den Uniformen nun Europäer oder Amerikaner stecken, hat das nicht automatisch zur Folge, dass man ihnen Vertrauen schenkt.

Wenn nun humanitäre Organisationen oder Entwicklungsdienste in enger Zusammenarbeit mit militärischen Akteuren auftreten, kann dieses Misstrauen gegenüber Uniformen und Waffen auf die zivilen Helfer abstrahlen und damit eine der Grundvoraussetzungen für Aufbauarbeit nach einem Krieg – das Vertrauen den »Fremden« gegenüber – zerstören. Das heißt nicht, dass Militär und zivile Akteure sich hermetisch voneinander abschotten sollten. Aber wir müssten viel mehr voneinander wissen, auf gleicher Augenhöhe miteinander reden.

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