Die Schöne und die Taube auf dem Dach

Die Schauspielerin Heidemarie Wenzel wird 65

  • Ralf Schenk
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war Egon Günther, dem sie ihren ersten Kinoerfolg zu verdanken hatte: In »Abschied« (1968), seiner Adaption des gleichnamigen Becher-Romans, spielte Heidemarie Wenzel das Mädchen Fanny, die große Liebe des Abiturienten Hans Gastl, mit dem gemeinsam sie in den Tod gehen will. In einer Traumsequenz schwebt sie durch den Raum, ein verlorener Engel, sehr blond, sehr langbeinig, sehr verführerisch, und wäre das Weltraum-Märchen »Barbarella« nicht erst einige Zeit danach entstanden, man hätte vermuten können, Egon Günther habe die schwerelose Jane Fonda zum Vorbild genommen.

Heidemarie Wenzel war damals so etwas wie die Fonda der DDR. Oder die Bardot. Hochgewachsen, mit nüchtern prüfenden Augen und weichem, vollem Mund, wie Kritiker schwärmten. Ganz und gar sinnlich, und doch immer auf dem Boden der Realität, dafür sorgten schon ihre Filme, die oft mit dem Alltag der DDR zu tun hatten. In Rainer Simons »Gewöhnliche Leute« (1970) ist sie eine Bauingenieurin, in Siegfried Kühns »Zeit der Störche« (1971) eine Lehrerin, die sich in einen schlaksigen, wilden Arbeiter verliebt, in Iris Gusners »Die Taube auf dem Dach« (1973) eine Bauleiterin. Weil sie sich nicht auf die natürliche, forsche »junge Sozialistin« festlegen lassen wollte, nahm sie die Rolle der Schönen in Heiner Carows »Legende von Paul und Paula« (1973) an: heftig lüstern und sehr ordinär. Jedenfalls kein Kind von Traurigkeit.

Später werden die Angebote dünner, mit nur wenigen Ausreißern nach oben, wie die Titelrolle in »Franziska« (1985) nach einem Roman von Fontane. Als ihr Mann, der Spielfilmregisseur Helmut Nitzschke, das Land verlässt, will auch sie in den Westen: ein Entscheidung, die hart erkauft werden muss, mit Auftrittsverbot und einem Job als Bürohilfskraft bei der evangelischen Kirche. Das Glück »drüben« stellt sich freilich nur bedingt ein, aber immerhin: Eine Fernsehserie (»Unsere Hagenbecks«) macht sie bundesweit bekannt, danach folgen, bis jetzt, Engagements an Tourneetheatern und Lesungen.

Heute feiert Heidemarie Wenzel ihren 65. Geburtstag. Und wie es der Zufall will, wird sie bald einem ihrer wichtigsten Filme wiederbegegnen können: »Die Taube auf dem Dach«, in der DDR wegen »Verunglimpfung der Arbeiterklasse« verboten, lange verschollen, von der DEFA-Stiftung gesucht, gefunden und restauriert, startet mit neuen Kopien im September in den Kinos.

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