Alphatiere sind out

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.
Karikatur: Christiane Pfohlman
Karikatur: Christiane Pfohlman

Der Bundestrainer der Deutschen Fußballnationalmannschaft, Joachim Löw, soll den Bundesverdienstorden erhalten. Bundespräsident Christian Wulff befand, dass Löw in »besonderer Weise Trainerqualitäten« gezeigt habe: »Er hat die Mannschaft zusammengestellt, motiviert, Ausfälle ausgeglichen.« Und in der Tat wurde Löw samt Mannschaft großes Lob zuteil. Wir hatten einen »sensiblen Trainer«, mit Bastian Schweinsteiger jemanden, der »Trainervorgaben in die Mannschaft umsetzte« und »viele Hauptpersonen«, jubelten die Medien. Out ist das Alphatier. Der Star von heute ist Individualist und Teamplayer, er will das Spiel und er will gewinnen. Damit schrieb Deutschland – und nicht nur Deutschland, man denke an Spanien – Fußballgeschichte. Ja, wir haben uns gefreut.

Stelle man sich vor, wir könnten solch ein Lob unserem Schulsystem zukommen lassen. Stellen wir uns eine Schule vor, die von vornherein als Team gedacht und gelebt wird. In der die Kinder von Anfang an bis zum Finale in seinen Fähigkeiten gefördert, erweitert und zu neuen Fertigkeiten angeregt werden. Eine Schule, in der jeder ernst genommen, gleichwertig eingesetzt und jeder sich – sei es nur für ein paar Minuten – erproben darf. Eine Schule, in der es auf jeden ankommt – im Training wie im Spiel. Eine Schule, in der die Lehrer ausgestattet mit psychologischen und pädagogischen Kenntnissen, empathische und sensible Teamplayer sind. Eine Schule, in der Heterogenität groß geschrieben wird, in der der Ball zugespielt, gemeinsam nach vorne getragen wird und am Ende auf der Zielgeraden ins Tor geht. Eine multikulturelle Schule für alle Kinder. Was würden wir uns freuen.

Noch jung wie die Nationalelf, die bei der WM in Südafrika den dritten Platz erreichte, befinden sich die Gemeinschaftsschulprojekte am Beginn ihrer Karriere. Auch ihnen möge man zurufen: »2014 gehört ihr zur ersten Liga«. Dann wäre nicht nur die Nationalmannschaft »bester Botschafter unseres Landes in der Welt.«

Die Autorin ist Erziehungswissenschaftlerin und lebt in Berlin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.