Neue Attentate erschüttern Irak
Mindestens 46 Menschen sterben bei Selbstmordanschlägen
Bagdad (AFP/dpa//ND). Nahe der Hauptstadt Bagdad sprengten sich am Sonntag Attentäter inmitten von Mitgliedern der Sahwa-Miliz in die Luft, teilten die Behörden mit. Auch ein weiterer Anschlag an der Grenze zu Syrien richtete sich gegen die Miliz, die seit dem Jahr 2006 gegen das Terrornetzwerk Al Qaida kämpft.
Der erste Anschlag wurde am Morgen vor dem Haupteingang einer Militärbasis in Radwanija verübt, rund 25 Kilometer von Bagdad entfernt. Zu diesem Zeitpunkt standen dort Mitglieder der sunnitischen Sahwa-Miliz an, um sich ihren Lohn auszahlen zu lassen. Nach Angaben der Polizei hatten sich zwei Männer mit Down-Syndrom unter die Milizionäre gemischt. Durch die Explosion ihrer Sprengstoffgürtel wurden 43 Menschen getötet und 40 weitere verletzt, verlautete aus Innen- und Verteidigungsministerium.
Auch der zweite Anschlag in El Kaim an der Grenze zu Syrien galt Angehörigen der Sahwa-Miliz: Ein Selbstmordattentäter sprengte sich vor einem Büro der Miliz in die Luft, teilte die Polizei mit. Zwei Milizionäre und ein Polizist wurden dabei getötet, drei weitere Menschen verletzt.
Die Sahwa-Brigaden, auch als »Söhne Iraks« bekannt, bestehen überwiegend aus ehemaligen sunnitischen Aufständischen. Auf Initiative örtlicher Stammesführer nahmen sie im Sommer 2006 ihren Kampf gegen Al Qaida auf und spielten eine wichtige Rolle in der Strategie der USA. Sie trugen zu einer Verringerung der Angriffe von Aufständischen bei, wurden aber immer wieder auch selbst zum Ziel von Anschlägen.
Seit Oktober 2008 stehen die Milizionäre unter irakischem Kommando. Obwohl die Führung in Bagdad zugesagt hatte, ein Fünftel der Milizionäre in die regulären Truppen des Landes einzugliedern und weitere in öffentliche Ämter zu bringen, verläuft dieser Prozess nur schleppend. Viele Milizionäre befürchten, dass sie nicht nur im Fadenkreuz des Al-Qaida-Terrornetzwerks stehen, sondern auch von der Regierung mit Misstrauen betrachtet werden. Unter USA-Führung sollen sie für ihre Dienste monatlich rund 300 Dollar bekommen haben, von der schiitisch geführten irakischen Regierung hingegen nur 100 Dollar. Im vergangenen halben Jahr wurden immer wieder Sahwa-Kämpfer getötet, auch viele Angehörige fielen Racheakten zum Opfer.
Viele Iraker schreiben die Zunahme der Angriffe auf Milizionäre und Angehörige der Sicherheitskräfte in den sunnitischen Städten und Wohnbezirken den Parteien zu, denen es seit der Parlamentswahl am 7. März nicht gelungen ist, eine Regierung zu bilden. Dadurch sei ein Machtvakuum entstanden, das von Al-Qaida-Terroristen ausgenutzt wird.
Der Anwalt des früheren stellvertretenden irakischen Regierungschefs Tarik Asis, der am Mittwoch von einem Gefängnis unter US-amerikanischer Verwaltung an die irakischen Behörden überstellt worden war, teilte unterdessen mit, dass die irakische Justiz gegen seinen Mandanten weitere Vorwürfe erhoben habe. Er sei darüber informiert worden, dass Asis und 15 weitere Beschuldigte am Sonnabend vor Gericht gestellt wurden, um sich wegen »Verschwendung öffentlicher Gelder« zu verantworten, sagte Badih Aref am Sonntag.
Die US-Armee hatte die Kontrolle über ihr letztes Gefangenenlager in Irak, Camp Cropper, am Donnerstag den örtlichen Behörden übergeben. Bei den meisten Insassen handelt es sich um Führungsmitglieder der verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins. Asis hatte sich im April 2003 der US-Armee ergeben und war in Camp Cropper inhaftiert worden. Wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« im Zusammenhang mit der Hinrichtung von 42 Kaufleuten im Jahr 1992 hatte ein irakisches Gericht Asis 2009 zu 15 Jahren Haft verurteilt.
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