Kannibalen der Lüfte

In Sachsen-Anhalt wurde ein neuer Regionalflughafen freigegeben – Experten warnen längst vor einem Überangebot

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Flugplatz Cochstedt, lange Zeit eine Investruine, hat mit seinem neuen dänischen Betreiber die Betriebsfreigabe erhalten. Gebraucht, sagen Experten, wird er wie viele der 39 deutschen Regionalflughäfen nicht.

Gleich zwei Magdeburger Kabinettsmitglieder sind gestern nach Cochstedt gefahren: Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff und sein Verkehrskollege Karl-Heinz Daehre (beide CDU) besuchten dort einen Flugplatz, der seit Jahren für unangenehme Schlagzeilen sorgte. Sie übergaben dem neuem dänischen Betreiber die Betriebserlaubnis. Ab sofort kann die Piste in der Provinz von Flugzeugen aller Art angeflogen werden. Ab dem Winter, erklärte Peter Solbeck von der Airport Development A/S, stünden »mehrere Sonnenziele« im Flugplan.

Investruine wiederbelebt

Im Land ist angesichts der Nachricht kollektives Aufatmen zu vernehmen, hatte doch zwischenzeitlich kaum noch jemand geglaubt, dass der Flugplatz je genutzt wird – und das, nachdem verschiedene Regierungen seit Anfang der 90er Jahre 60 Millionen Euro in den Ausbau des sowjetischen Militärflugfeldes gesteckt hat. Die Träume vom Gewerbegebiet mit Start- und Landebahn erfüllten sich aber nie; 2002 war die Betreibergesellschaft pleite. Als zuletzt der Verkauf an einen arabischen Investor platzte, schien das Geld endgültig sinnlos versickert zu sein.

Jetzt frohlocken die Verantwortlichen. Zwar bekam das Land von den Dänen mit 1,5 Millionen Euro nur ein Vierzigstel der Investitionen erstattet. Aber Cochstedt soll nun endlich abheben. Es war »über die vielen Jahre richtig, am Ziel des vollständigen Flugbetriebes festzuhalten«, sagt SPD-Landrat Ulrich Gerstner, der auf neue Arbeitsplätze hofft.

Ob Cochstedt jedoch stabilen Auftrieb erhält oder eine kleine Möchtegern-Drehscheibe bleibt, ist aber weiter offen. Wirklich gebraucht wird er wie die meisten der 39 deutschen Regionalflughäfen nicht. Es gebe auch ohne deren Ausbau »grundsätzlich genug Kapazitäten« für den Luftverkehr, konstatierte bereits 2005 eine Studie der Deutschen Bank. Sie verweist darauf, dass für einen wirtschaftlichen Betrieb eine halbe bis zwei Millionen Passagiere pro Jahr gebraucht würden, was nur fünf der 39 Flughäfen gelingt. 19 haben weniger als 10 000 Fluggäste. Oft würden nicht einmal die Betriebskosten gedeckt. Fatale Folge: Um die Flughäfen, die oft »Prestigeprojekte der Regionalfürsten« seien, am Leben zu erhalten, würden öffentliche Gelder zugeschossen.

»In der Mitte vom Nichts«

Zugleich gebe es »Kannibalisierungseffekte«, sagt Eric Heymann, Mitautor der Studie, gestern dem ND: Arbeitsplätze und Passagieraufkommen eines Flughafens gingen zu Lasten der Pisten in der Nachbarschaft. Im Fall Cochstedt geben sich die Nachbarn selbstbewusst. Ein Manager des Airports Halle-Leipzig erklärte, Cochstedt liege »in der Mitte vom Nichts«, ob sich der Flugplatz am Markt halte, sei offen. Das Land betont derweil, zugeschossen werde nichts mehr: Alle Investitionen stemmt der Eigentümer selbst.

Abwarten, meint die Opposition. Das Land, das am Flughafen Leipzig-Halle beteiligt ist, baue »Konkurrenz in eigener Sache auf«, sagen die Grünen. Guido Henkel von der LINKEN schätzt, dass 25 Prozent der Fluggäste von Leipzig-Halle nach Cochstedt wechseln könnten. Um das Minus auszugleichen, müsse man womöglich mehr als die bisherigen 14,4 Millionen Betriebskostenzuschuss nach Leipzig überweisen; zugleich müsse die Infrastruktur in Cochstedt ausgebaut werden. Die Frage, ob weiterhin Landesgelder fließen müssen, sei also »längst nicht beantwortet«.

Zuständigkeit neu regeln

Die Studie der Deutschen Bank hatte zudem gefordert, die Planungen für Regionalflughäfen nicht mehr bei den Ländern anzusiedeln, sondern im Bund zu koordinieren. Die Forderung gelte weiter, sagte Heymann gestern und fügte an: »Neben eine unausgelastete Autobahn baut man auch nicht eine zweite.«

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