Schurkenstück mit schweren Folgen

Am Golf prallten die Ambitionen einer regionalen Großmacht auf die einer Supermacht

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.
Heute vor 20 Jahren, am 2. August 1990, überfiel Irak seinen Nachbarstaat Kuwait, den Bagdad als abtrünnige Provinz betrachtete. Beide Staaten waren aus der Grenzziehung der Völkerbundsmandate entstanden.

In welchem Irrtum sich der irakische Staatschef Saddam Hussein befand, als er gegen Kuwait zu seinem zweiten Krieg rüstete, ist nicht völlig geklärt. Er führte das Zweistromland in eine offene Konfrontation mit den USA, hatte aber wohl nach Erklärungen der damaligen US-Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, und des US-Außenministerium angenommen, dass die USA sich ebenso wohlwollend heraushalten würden, wie zuvor (1980) beim irakischen Angriff auf Iran. Doch die USA nahmen den Überfall auf Kuwait in der Folgezeit zum Anlass, ihre Position in der Region auszubauen. Sie entfesselten einen langen und – besonders nach der Besetzung ab März 2003, dem für die Iraker dritten Golfkrieg – verlustreichen Krieg, der keineswegs beendet ist. Noch immer stehen über 100 000 US-Soldaten in Irak und benachbarten arabischen Staaten.

Der Überfall

Als die irakischen Truppen am 2. August 1990 um 1.00 Uhr die kuwaitische Grenze überschritten, hatten sie nur anfänglich Widerstand zu überwinden. Noch vor dem Morgengrauen erreichte die mit 30 000 Soldaten und 350 Panzern angetretene Invasionsarmee die Hauptstadt des Scheichtums, das 170 Kilometer von der irakischen Grenze gelegene Kuwait-Stadt. Zwar wehrten sich die kuwaitischen Kontingente nach Kräften, doch als bekannt wurde, dass sich ihr Staatsoberhaupt Scheich Jabir al-Ahmad al-Sabah schon Stunden nach Kriegsbeginn nach Saudi-Arabien abgesetzt hatte, erlahmte der Widerstand.

In Bagdad erklärte Präsident Saddam Hussein die Operation »nach Blitzkrieg und Blitzsieg« für erfolgreich beendet und wartete mit einer ebenso abenteuerlichen wie unglaubwürdigen Rechtfertigung auf. In Kuwait hätten »junge Revolutionäre« die herrschende Sabah-Dynastie gestürzt, eine Interimsregierung gebildet und Bagdad, wo das Präsidialregime ebenfalls Revolutionärer Kommandorat hieß, um Hilfe ersucht. Später war von jenen »jungen Revolutionären« nie wieder etwas zu hören, was die einhellige Vermutung bestätigte, dass es sie in der behaupteten Form nie gegeben hat.

Die bilaterale Vorgeschichte

Im Juli 1990 hatte es Spannungen zwischen Irak und Kuwait um ein neu entdecktes Ölfeld an bzw. unter der gemeinsamen Grenze gegeben, das beide Staaten für sich beanspruchten. Darüber wurden unter saudi-arabischer Vermittlung Verhandlungen geführt, die am 1. August 1990 ergebnislos abgebrochen wurden. In der folgenden Nacht begann der Einmarsch.

Die Spannungen waren zwar vorher vom auf kuwaitischer Seite verhandlungsführenden Ministerpräsidenten Scheich Saad al-Abdulah al-Sabah als ernst bezeichnet worden. Irakische Truppen waren bereits an der Grenze aufmarschiert. Dennoch wurde ein unmittelbar drohender Krieg wohl nicht erwartet.

Zum einen verfügten beide Staaten über vergleichsweise märchenhafte bereits erkundete Ölreserven, so dass ein bewaffneter Konflikt um jenes umstrittene Fördergebiet schon allein vom ökonomischen Aspekt her völlig widersinnig erschien. Zum anderen war aggressive Rhetorik aus Bagdad gegenüber Kuwait der Normalfall während der gesamten Zeit ihrer gemeinsamen Existenz. Zwar kam es wiederholt zu Grenzscharmützeln, die aber stets unterhalb der Schwelle kriegerischer Handlungen blieben.

Beide – Irak wie Kuwait – sind Zerfallsprodukte des mit dem ersten Weltkrieg untergegangenen Osmanischen Reiches; deren Grenzen bestimmte im Wesentlichen Großbritannien. Dennoch wollte Irak, das 1932 seine volle Selbständigkeit erlangt hatte, das 1961 von den Briten in die Unabhängigkeit entlassene Kuwait nicht anerkennen und bezeichnete es als seine 19. Provinz. Die Situation galt aber als relativ entspannt, seit im Jahr 1977 beide Seiten einen Grenzvertrag unterzeichnet hatten.

Bagdader Großmachtträume

Der Regierung in Bagdad – die inzwischen längst eine Alleinherrschaft Saddam Husseins geworden war, hätte bei nüchterner Betrachtung klar sein müssen, dass sie mit der handstreichartigen Annexion Kuwaits nicht durchkommt. Kuwait war UNO-Mitglied und damit anerkanntes Völkerrechtssubjekt. Ein solches einfach einzukassieren, konnte als Präzedenzfall von keinem UNO-Mitglied hingenommen werden. Dass sich die siegestrunkene Bagdader Führung nicht einmal der Mühe unterzog, sich auf einen bestimmten Kriegsgrund festzulegen (War es nun der mysteriöse Hilferuf aus Kuwait oder doch der wiederentdeckte Zweifel an der Legitimität der Existenz eines Staates Kuwait?), tat ein Übriges, dass sich keine Regierung auf Saddams Seite schlug. Von den Mitgliedern der Arabischen Liga begrüßte lediglich die Palästinensische Befreiungsorganisation »die Befreiung Kuwaits«.

Saddams Fehleinschätzung

Die UNO-Forderung nach Rückzug der irakischen Truppen war nicht dazu angetan, Saddam zu beeindrucken. Von den roten Linien, die das internationale Recht vorgibt, hatte er sich nie Grenzen setzen lassen und glaubte auch diesmal, sich danach nicht richten zu müssen. Schwer unterschätzt aber hatte er offenbar die Entschlossenheit der USA, in einer von ihnen als »strategische Interessensphäre« definierten Region Kräfteverschiebungen zu ihren Ungunsten zu verhindern.

Hatten die USA Saddams ersten Golfkrieg 1980-88 noch mit kaum verhohlener Sympathie betrachtet, so sahen sie sich nun in ihrem Anspruch als Supermacht düpiert. Dagegen wollte Washington abschreckende Zeichen setzen – gerade in einer Zeit, in der die andere bisherige Weltmacht, die Sowjetunion, einem Zustand der Agonie entgegenging. Mitte Januar 1991 landeten Invasionstruppen der USA in Kuwait. Bereits am 27. Februar war der letzte Iraker vertrieben. Der zweite Golfkrieg war vorbei. An seinem Ende stand eine bis heute unbekannte Zahl von Opfern, Schätzungen sprechen von Zehntausenden Toten.

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