Erdöl ist eine Frage von Leben und Tod
Die Klimaaktivistin Rebecca Williams über die französische Kampagne »Stoppt Total«
ND: Umweltschützer haben kürzlich auf einem Klimacamp in Le Havre zehn Tage lang über die Kampagne »Arrêt Total« (Stoppt Total) diskutiert. Worum geht es dabei?
Williams: Es ist das erste Mal, dass die junge Klimabewegung in Frankreich eine direkte Aktion über Monate vorbereitet. Seit Jahrzehnten versuchen wir mit herkömmlichem Lobbying gegen Konzerne wie Total anzukämpfen – das hat bis jetzt nicht viel gebracht. Auch Forderungen an die Regierung bringen nichts, da diese Hand in Hand mit der Industrie geht. Die Beschlüsse der Politik werden nicht im Sinne der Bürger, sondern zugunsten der Unternehmen gefällt. Wir wollen das Ende des Erdöls. Wir wissen heute, dass – wenn alle noch vorhandenen Reserven verbraucht werden – eine Mehrheit der Lebewesen auf der Erde nicht überleben kann. Die Raffinerien zu stoppen, ist also eine Frage von Leben und Tod. Deshalb wollen wir nicht nur eine symbolische Aktion durchführen: Wir wollen wirklich, dass die Produktion von Erdöl gestoppt wird.
Die größte Raffinerie von Total in Le Havre (Normandie) soll besetzt werden – birgt das nicht viele Risiken?
Wir wissen derzeit noch nicht, ob eine Besetzung möglich ist. Unser Ziel ist, die Produktion zu stoppen – das würde allerdings mehrere Tage dauern. Wir sind noch dabei, mit Experten die Risiken der Anlage zu analysieren. Für den 16. Oktober wollen wir uns realistische Ziele stecken. Deshalb kann es gut sein, dass wir uns doch auf symbolische Aktionen beschränken, wie das Entrollen von Transparenten. Möglich ist auch die Besetzung des Geländes, ohne die Produktion zu stoppen oder zu behindern. Wir wollen mit der Aktion weder uns noch die Arbeiter der Raffinerie in Gefahr bringen.
Warum ist der Konzern Total so wichtig für die französische Umweltbewegung?
Erdöl ist die Basis des kapitalistischen Wirtschaftssystems und einer der größten Treibhausgasverursacher. Für uns ist das Schwarze Gold Symbol für diese Gesellschaft des Profits und der Ausbeutung. Total hat in den letzten Jahren die größten Profite aller französischen Unternehmen gemacht. Zudem gab es bei Total in diesem Jahr massive Streiks. Natürlich tragen auch die Folgen der Havarie der BP-Plattform im Golf von Mexiko dazu bei, dass die Erdölförderung derzeit in Frage gestellt wird.
Haben Sie einen echten Dialog mit Raffinerie-Mitarbeitern geführt?
Wir haben unsere Aktion mit vielen Arbeitern diskutiert. Es sind auch einige Angestellte und Gewerkschaftsmitglieder von Total und einem Kohlekraftwerk zu uns ins Camp gekommen. Natürlich geht die Sympathie nicht so weit, dass sie unsere Aktion unterstützen, aber sie sind bereit, mit uns über ihre Arbeit zu diskutieren. Wir wollen unmittelbar vor unserer Aktion betroffenen Angestellten und der lokalen Bevölkerung unseren Standpunkt erklären.
Haben die Raffineriearbeiter Verständnis für »Arrêt Total«?
Die Arbeiter wissen, dass die Raffinerien in Frankreich aus Kostengründen über kurz oder lang geschlossen sowie nach Nordafrika und Asien verlegt werden sollen. Natürlich gefährden unsere Forderungen ihre Arbeit kurzfristig. Aber wir müssen die wichtige Frage nach einem Ende der umweltzerstörenden Ölproduktion stellen, denn dies ist im Interesse aller Menschen.
Fragen: Susanne Götze
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