Zwischen Bibel und NS-Ideologie

Wie sich Tübingens Theologische Fakultäten durch die Zeit des Nationalsozialismus lavierten

  • Marcus Mockler, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Tübingen beherbergte an seiner Universität im Sommersemester 1933 auf evangelischer Seite 952 Studenten, auf katholischer 226. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung versuchten viele Professoren den Spagat zwischen dem Festhalten an biblisch-christlichen Werten und der Anpassung an die völkische Ideologie.

Tübingen. Sie war deutschlandweit die begehrteste Stadt für Theologiestudenten. Aufschluss über die Geschichte Tübingens und seiner Uni nach 1933 gibt eine neue Studie, in der der Historiker Reinhold Rieger die damaligen Konflikte an der Theologen-Schmiede untersucht. Auf evangelischer Seite war die prägende Gestalt Karl Fezer, Professor für Praktische Theologie und Ephorus des berühmten Evangelischen Stifts. Er übernahm im Dezember 1933 nur zögerlich das turnusgemäß vergebene Amt des Universitätsrektors, nachdem ihm der württembergische Landesbischof Theophil Wurm dazu geraten hatte. Er könne in dieser Position weiteres Unglück verhüten, hieß es. Dennoch musste Fezer 1934 erst einmal den Arier-Nachweis für alle Uni-Beschäftigten anordnen, wie Rieger zeigt.

Gegen die »Reichskirche«

Das evangelische Kollegium hielt sich eher distanziert zu den Machthabern. Fast niemand der Professoren war dauerhaft in der Partei oder bei den regimetreuen »Deutschen Christen«, aber auch nur einer zählte sich zur offen regimekritischen »Bekennenden Kirche«. Immerhin blieben sich Fakultät und Landeskirche einig in ihrer Ablehnung einer einheitlichen »Reichskirche«, die die Landeskirchen ersetzen sollte.

Andererseits bemühte man sich an vielen Stellen, die Staatsnähe zu betonen. Fezer ließ Rieger zufolge die Repetenten des Stift wissen, man sei »entweder töricht oder bösen Willens«, wenn man den Führer Adolf Hitler nicht als Gottesgabe betrachte. Ähnlich äußerte sich der dezidiert antisemitische Neutestamentler Gerhard Kittel.

Mit staatlichen Bestrebungen, jüdische Kultur und jüdischen Einfluss massiv zurückzudrängen, erklärten sich viele einverstanden. »Der Versuch vieler Theologen, auch in Tübingen, ein Christentum lutherischer Prägung als religiöse Fundierung des Nationalsozialismus zu propagieren, ist letztlich gescheitert, weil sich im Nationalsozialismus die antichristliche Richtung durchsetzte«, resümiert der Historiker Rieger.

Ähnlich das Bild bei den katholischen Theologen. Die Dozenten der kleineren Fakultät waren im wesentlichen keine Nazi-Ideologen, Widerstand war von ihnen aber auch nicht zu erwarten. Der Dogmatiker Karl Adam galt als »Brückenbauer« mit einer gewissen Nähe zum Regime. In einem Vortrag sagte er: »Wir müssen katholisch sein bis zur letzten Faser unseres Herzens, aber wir müssen auch – um des Katholischen willen – deutsch sein bis aufs Mark. Nur dann blüht unser Christentum auf eigenem Boden.«

Lehrstuhl geschlossen

Dem Wunsch der Machthaber, das Fach »Altes Testament« abzuschaffen, weil es zu »jüdisch« sei, widersetzten sich beide Konfessionen. Die Katholiken allerdings ohne Erfolg. Sie verloren den Lehrstuhl 1938 – das freigesetzte Geld floss in einen Lehrstuhl für Rassenkunde. Bei beiden Fakultäten verfolgten die Machthaber schließlich den Gedanken, sie ganz abzuschaffen oder mit den theologischen Fakultäten anderer Universitäten zusammenzulegen.

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