Spannungen zwischen Spanien und Marokko
König Juan Carlos versucht, die Wogen im Grenzstreit in der Exklave Melilla zu glätten
Eine Hungersnot müssen die Bewohner der spanischen Exklave Melilla nicht befürchten, doch auf frischen Fisch, frisches Obst und Gemüse mussten sie am Donnerstag verzichten. Eine Gruppe von Marokkanern verhinderte entsprechende Lieferungen, indem sie den Grenzübergang zwischen Mellila und Marokko blockierte.
Der Grund der Aktion: Mehrfach war es in den vergangenen Wochen zu Vorfällen gekommen, bei denen die spanische Polizei am Grenzübergang Marokkaner misshandelt haben soll.
Auch die marokkanische Regierung hatte sich mit mehreren Kommuniqués beim spanischen Außenministerium offiziell über die »rassistische« und »entwürdigende« Behandlung von Marokkanern beschwert. Zahllose Grenzgänger passieren täglich den Übergang, weil sie in Melilla oder Ceuta arbeiten. Einer von ihnen ist Mustafa Bellahcen. Der 30-Jährige erhielt beim Grenzübertritt am vergangenen Montag Prügel und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach diesem Vorfall hatte Rabat den spanischen Botschafter einbestellt, um seine »große Empörung« über den »inakzeptablen Einsatz von Gewalt gegen marokkanische Staatsbürger« auszudrücken. Dabei handelte es sich schon um den dritten bekannt gewordenen Übergriff in zwei Wochen.
Nach den Protesten aus Rabat sah sich auch die Polizei und die Guardia Civil zu Stellungnahmen gezwungen. Sie rechtfertigten sich damit, dass sie angeblich angegriffen wurden. Doch Rabat geht in den Vorwürfen noch weiter und beklagt, dass Migranten aus Schwarzafrika, die vor der spanischen Küste abgefangen würden, von der Guardia Civil misshandelt und an der marokkanischen Küste »ausgesetzt« würden. Ähnliche Vorgänge haben auch Menschenrechtsorganisationen schon angeprangert.
Kürzlich wurde sogar auf den Internetseiten des US-Außenministeriums davor gewarnt, dass Afroamerikaner in Spanien Opfer »rassistischer Vorurteile« der Polizei werden können. Das Ministerium von Hillary Clinton führte dabei auch an, dass sogar Mitarbeiter des US-Konsulats in Barcelona von der Polizei festgenommen wurden, wofür es »keinerlei erkennbaren Grund« gegeben habe.
Zwischen Spanien und Marokko kommt es häufig zu Spannungen. Zum Jahreswechsel zog Marokko den Botschafter aus Madrid ab und entsandte erst kürzlich einen neuen. Sogar der spanische König Juan Carlos versuchte, mit einem Anruf beim marokkanischen König Mohammed VI. die Wogen zu glätten. Das belegt, dass die Vorgänge von größerer Bedeutung sind, als die Regierung zugeben will. Dass die Besänftigung nicht gelang, zeigte sich dann daran, dass Rabat den »Verband zur Befreiung von Ceuta und Melilla« gewähren ließ, als dessen Mitglieder die Grenze blockierten und zahllose Lkws nicht nach Melilla kamen. Der Verband kündigte weitere Aktionen an und spricht sich für einen Handelsboykott gegen die beiden Exklaven Ceuta und Melilla aus.
Hier zeigt sich, dass im Hintergrund der Konflikt um die Exklaven hochkocht, die Marokko beansprucht. So nutzt die marokkanische Regierung ihre Protesterklärungen auch, um über Melilla und Ceuta von »besetzten Gebieten« zu schreiben, denn sie sind ein Überbleibsel der spanischen Kolonialzeit. Vergessen werden darf nicht, dass es 2002 fast zu einem kriegerischen Konflikt um die unbewohnte Insel »Leila« (Petersilieninsel) kam. Diese liegt direkt vor der marokkanischen Küste und wird ebenfalls von Spanien beansprucht. An Zündstoff fehlt es nicht.
ND-Karte: Wolfgang Wegener
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