Temelin fällt ins Ferienloch

Bislang kaum Einwendungen gegen Erweiterung des tschechischen AKW

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Das tschechische Atomkraftwerk Temelin, das in den vergangenen Jahren durch zahlreichen Pannen Proteste auf sich gezogen hat, wird ausgebaut. In Bayern regt das – bislang – kaum jemanden auf.

Das Kraftwerk liegt in der Nähe des Dorfes Temelin, gut 20 Kilometer nördlich von Ceské Budejovice, und es ist 50 Kilometer von der österreichischen und 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Spätestens seit Sommer 2008 ist es amtlich: Die Betreiberfirma CEZ will zwei zusätzliche Reaktorblöcke bauen. Das EU-Recht bietet auch Anwohnern benachbarter Staaten Möglichkeiten, gegen derartige Projekte Einspruch zu erheben.

Keiner will Pläne sehen

In Deutschland liegen die Ausbaupläne seit kurzem in einigen Rathäusern und Landratsämtern entlang der bayerisch-tschechischen Grenze aus. Bürger, die nahe der Grenze wohnen, können ihre Einwände gegen den Ausbau des Reaktors direkt an das tschechische Umweltministerium schicken. Für die Betroffenen in Oberfranken läuft die Einspruchsfrist noch bis Ende August. Doch laut Auskunft der Stadt Hof sowie der Landratsämter Wunsiedel und Hof gegenüber dem Bayerischen Rundfunk hat bis zum Wochenbeginn noch kein Bürger die Pläne einsehen wollen. Die Grünen im Landkreis Hof kritisieren, dass die Pläne ausgerechnet während der Schulferien ausgelegt werden. »Es beschneidet die Bürgerinnen und Bürger massiv in ihren Mitwirkungsrechten, wenn sie ihren Protest nur zu einer Zeit deutlich machen sollen, in der die Mehrheit der Bayern in Ferien ist«, beschwerte sich schon zu Monatsbeginn der Grünen-Landtagsabgeordnete Eike Hallitzky.

Protest ankurbeln wollen auch die sächsischen Grünen. Deshalb werden sie an die tschechische Regierung schreiben und gegen den Ausbau des Atomreaktors Temelin protestieren. »Die Sicherheitsfragen der zwei neuen Reaktorblöcke sind völlig ungeklärt«, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Volkmar Zschocke in Dresden. Die Pläne der tschechischen Regierung ignorierten die ständigen Störfälle des erst 2002 in Betrieb gegangenen alten AKW. Überhaupt: Kernkraft bleibe eine unverantwortliche, teure Risikotechnologie.

Doch damit erschöpft sich die Kritik der sächsischen Grünen nicht. »Es ist offenkundig, dass die massive Steigerung der Stromproduktion in Temelin nicht für den tschechischen Markt geplant ist«, behauptet der Landeschef. Man wolle, so der Verdacht, nur auf dem lukrativen europäischen Strommarkt kräftiger mitmischen. Das allerdings würde auch in Sachsen zum Hindernis beim Übergang zu erneuerbaren Energien werden. Die Grünen entwarfen daher einen Musterbrief und hoffen nun, dass möglichst viele Bürger so zum Protest angehalten werden können.

Mit mehr Widerstand gegen den Ausbau des AKW Temelin ist aus Österreich zu rechnen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig hatte bereits zu Monatsanfang gefordert, den tschechischen Botschafter ins Außenamt zu zitieren, denn: »Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass es sehr wichtig ist, rechtzeitig in aller Schärfe zu reagieren.«

Österreicher aktiver

Die Regierung in Wien lässt die Einwandfrist erst nach der Sommerpause beginnen. In den grenznahen Bezirken Oberösterreichs formiert sich aber auch schon jetzt neuer Widerstand. 200 000 Euro will man für den Kampf gegen das Atomkraftwerk in Temelin aber auch gegen die bayerischen Atomkraftanlagen an der Isar »locker« machen. Es gehe schließlich um grundsätzliche Sicherheitsinteressen der Bevölkerung, da müsse jede Möglichkeit genutzt werden, sagte Umweltlandesrat Rudi Anschober. »Im Vergleich zu den dreistelligen Millionenbudgets der Atomkonzerne ist unsere Investition klein, aber wir sind die einzige Region in Europa, die eine kontinuierliche Anti-Atom-Arbeit finanziert und durchführt.«

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