Strategie und Fantasie auf dem Schirm
Bei »Battle vs. Chess« kommen seriöse Schachspieler wie Computerspaßfans auf ihre Kosten
Ein Spiel, bei dem die Kinder gebannt vor dem Computer sitzen und einen gegnerischen Feldherrn samt dessen Spießgesellen jagen? Durch Wüsten und durch Dschungel, mit wachsender Begeisterung – und besorgte Eltern dürfen ruhig schlafen? Weil sich der Nachwuchs an keiner primitiven Ballerei ergötzt, sondern per Mausklick auch noch schlauer wird?
Das klingt ein bisschen nach der endlos strapazierten armen Wollmilchsau, die nun auch noch in der digitalen Dimension pädagogisch wertvolle Eier legen soll. Tatsächlich aber ist die Rede von einem Produkt, das demnächst im Fachhandel zu haben sein wird. Und zwar bald nach der Gamescom 2010, die an diesem Wochenende die Fans elektronischer Unterhaltung in Scharen nach Köln lockt. Es handelt sich um »Battle vs. Chess« – das ewige Duell der Könige als spannende 3 D-Animation.
Kriechgang war einmal
Schon Anfang der 90er hatte es Versuche gegeben, das ehrwürdige Schach in ein Computerspiel zu verwandeln. Diese frühen Versionen und weitere Nachfolgeeditionen krankten aber daran, dass die elektronischen Schachknirpse entweder bloß im Kriechgang über den Bildschirm schlichen (die Technik war eben noch nicht weit genug), oder dass die Programme viel zu schwach waren und selbst von Anfängern leicht besiegt werden konnten. Ganz anders jedoch jetzt »Battle vs. Chess«, an dem die Tüftler von der Heidelberger Softwareschmiede Topware Interactive anderthalb Jahre gebastelt haben: eine Kombination aus eindrucksvoller und detailverliebter Optik, an der auch verwöhnte E-Gamer nichts zu mäkeln haben, und einer Rechnerleistung, die selbst ligaerprobte Semiprofis ins Schwitzen bringt.
Partner des besagten Projekts für PC und Konsole sind die Hamburger Experten von ChessBase, deren starke FRITZ-Maschine diese »Battle vs. Chess« steuert. »Interessante Ideen, die neue Zielgruppen für eines der ältesten und schönsten Spiele der Welt gewinnen, unterstützen wir immer«, begründet ChessBase-Geschäftsführer Rainer Woisin gegenüner ND das Engagement seines Hauses.
Das Ergebnis sieht im virtuellen Raum dann so aus: Die bekannten Schachfiguren verwandeln sich in Phantasiegestalten, die Dame ist eine verführerisch gefährliche Amazone, der Turm eine Art Golem. Und dieser bunte Haufen misst seine Kräfte auf virtuellen Plätzen in verwunschenen Märchenreichen. Sechs verschiedene Szenarien stehen zur Auswahl, und dank HDR und bombastischer Partikeleffekte schauen im Vergleich dazu die »Battle Chess«-Prototypen aus dem vergangenen Jahrhundert, von denen manche Nostalgiker bis heute schwärmen, wie Pixelrohlinge aus.
Zugleich aber kann der Anwender auch in die bewährte Schachoptik umschalten, falls er ohne Ablenkung eine konkrete Position analysieren möchte. Denn »wir möchten ein Spiel für die ganze Familie kreieren«, sagt Jörg Schindler vom Entwicklerteam Topware Interactive. Fortgeschrittene würden vielleicht intensiver mit dem Programm FRITZ arbeiten und ihr Schach verbessern, während sie die kleinen Filme, die aus ihren Partien entstünden, als spaßiges Beiwerk mitnähmen. Die Anderen dagegen könnten sich auch an verschiedenen Zusatzfunktionen versuchen. Und dabei wird die vertraute Schachwelt gelegentlich auf den Kopf gestellt. Soll nämlich ein feindlicher Ritter oder Troll geschlagen werden, muss das nicht stumpf nach dem Kanon des Weltschachverbandes exekutiert werden.
Aug' in Aug' mit dem Gegner
Ein spezieller Modus gibt die Chance, das betreffende Scharmützel regelrecht auszufechten. Die Kamera zoomt auf den Quadranten, wo zum Beispiel der Läufer einen Bauern antrifft, und plötzlich sieht sich der Spieler der Figur, die er vom Feld jagen möchte, via Screen Aug' in Aug' gegenüber. Ist diese Variante gewählt worden, entscheiden eingesetzte Waffen und Geschicklichkeit darüber, ob der Läufer tatsächlich den Bauern schlägt. ChessBase-Mann Rainer Woisin: »Schachfreunde, die das nicht mögen, sollen sich weiter an den Schachprogrammklassiker FRITZ halten, der Standard unter Profis und Amateuren. Wenn aber Kids, die von anderen E-Games tolle Grafiken und Tempo gewohnt sind, über Optik und Action zum Schach finden – wer im Ernst sollte etwas dagegen haben?!« Womit also die Ehe zwischen Schach und Computerspiel amtlich geworden ist ...
»Battle vs. Chess« von Topware Interactive, ab September 2010 im Handel, Preis zwischen 40 und 50 Euro.
www.battlevschess.com www.games.com.de
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