Rätsel um den UNO-Inspekteur

Großbritannien: Forderungen nach neuer Untersuchung zur Affäre Kelly

  • Gabriel Rath, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch nach sieben Jahren bleiben Zweifel am Selbstmord des UNO-Waffeninspekteurs David Kelly. Mediziner fordern eine weitere Untersuchung, die neue britische Regierung ist nicht abgeneigt. Kelly hatte das Irak-Massenvernichtungswaffen-Dossier von Premier Tony Blair Lügen gestraft.

Sieben Jahre nach dem Tod des britischen UNO-Waffeninspekteurs David Kelly wird der Ruf nach einer neuen Untersuchung seines angeblichen Selbstmords lauter. Kelly war am 17. Juli 2003 unweit seines Hauses in der Grafschaft Oxfordshire tot aufgefunden worden. Zu diesem Zeitpunkt stand der 59-Jährige im Mittelpunkt einer öffentlichen Auseinandersetzung über die Behauptung der damaligen Regierung, Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen.

Damit rechtfertigte die Regierung von Tony Blair gegenüber einer skeptischen Bevölkerung den Angriff auf Irak, Seite an Seite mit den USA unter Präsident George W. Bush. Die Mär von den Massenvernichtungswaffen des Despoten Saddam Hussein wurde auch in einem Dossier der Regierung dargelegt, das unter anderem die Behauptung enthielt, Irak könne britische Truppen innerhalb von 45 Minuten angreifen. Diese Behauptung beruhte auf der Aussage eines irakischen Taxifahrers, der in Bagdad zwei Generale während der Fahrt belauscht haben wollte. Der Rest des Berichts war kaum von mehr professioneller Qualität, aber zugleich war das Dossier von höchster Bedeutung, denn immerhin rechtfertigte die Regierung damit den Kriegseinsatz.

Der Mikrobiologe Kelly, der nach dem ersten Golfkrieg als UNO-Waffeninspekteur in Irak war und 2003 im Dienst des britischen Verteidigungsministeriums stand, wusste, dass nichts davon der Wahrheit entsprach. So erzählte er »off the record« dem BBC-Reporter Andrew Gilligan, das Regierungsdossier sei »sexed up«, manipuliert, worden. Als Gilligan diese Behauptung – ohne seine Quelle zu enttarnen – auf Sendung wiederholte, brach die Hölle los. Die Regierung, unter Regie des damaligen Kommunikationschefs Alistair Campbell, entfachte einen regelrechten Krieg gegen die BBC. Kellys Name wurde gegen alle Usancen publik gemacht. Am 15. Juli musste er sich einer aggressiven Befragung im Parlament stellen. Zwei Tage später war er tot.

Die Regierung setzte umgehend Ermittlungen durch Lord Hutton in Gang, die auch die Untersuchung des Todes von Kelly umfassten. Es wurde festgestellt, dass er sich nach Einnahme von 29 Schmerzmitteln die Ader seiner linken Hand aufgeschlitzt habe und dies in Verbindung mit seiner Herzschwäche die Todesursache gewesen sei. Eine eigentlich übliche Untersuchung durch einen Gerichtsmediziner blieb aus. Weniger unüblich hingegen war, dass die Hutton-Untersuchung mit einer völligen Weißwaschung der Regierung in allen Punkten endete.

Dennoch blieben bis heute Zweifel, und nun wachsen wieder die Bemühungen, eine neue Untersuchung zu erzwingen. Neun Mediziner schrieben in einem Brief an die »Times«, der angebliche Todeshergang Kellys sei »völlig unwahrscheinlich«, ein Ermittler meint, er habe »seltsam wenig Blut« gesehen und neben anderen Politikern meint nun auch der frühere konservative Innenminister Michael Howard: »Ich halte jetzt eine volle Untersuchung für angemessen.« Die neue Regierung, so heißt es, sei diesem Ansinnen nicht abgeneigt. Immerhin geht es um einen Skandal des alten Labour-Kabinetts. Viele halten freilich Verschwörungstheorien über eine Ermordung Kellys für »Unsinn«. Gilligan: »Wir sollten allein deshalb eine Untersuchung haben, um den Unsinn zu stoppen, der über seinen Tod behauptet wird.«

Kellys Familie hüllt sich in Schweigen. Klar ist jedoch: Wer die damalige Hatz der Regierung gegen Kelly in Erinnerung hat, kann keinen Zweifel hegen, wer für seinen Tod verantwortlich ist. Dass Blair nun das Millionenhonorar für seine Memoiren verwundeten britischen Soldaten überlässt, wurde von der Öffentlichkeit aus gutem Grund als nichts anderes als Ablasshandel wahrgenommen.

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