Sportbund gerät wieder ins Rudern
Sachsen-Anhalts Politik zögert mit Geldspritze
Im Frühjahr 2008 schien der Abstieg besiegelt. Da veröffentlichte der Rechnungshof Sachsen-Anhalt eine dicke Expertise über den Landessportbund (LSB), die für Erschrecken sorgte. Fördergelder seien verplempert, Kredite ohne Maß aufgenommen, riskante Beteiligungen eingegangen worden. Die Dachorganisation der Sportvereine und Fachbünde hatte hohe Schulden. Das Land sperrte den LSB von der Verteilung der Fördergelder aus, sprang aber in die Bresche: Eine im Juni 2009 geschlossene »Konsolidierungspartnerschaft« bewahrte den LSB vor der Insolvenz.
Gut ein Jahr später droht diese freilich nun erneut. Es war wieder ein Brief des Rechnungshofes, der auf große finanzielle Probleme der Sportorganisation hinwies. Wieder
ist von fünf Millionen Euro an Verbindlichkeiten die Rede. Wie belastbar die Zahl ist, weiß niemand; Auskünfte über Risiken seien nur »peu à peu« zu erhalten, klagte der zuständige Sozialminister Norbert Bischoff (SPD). Einen ähnlich verärgerten Ton schlagen Finanzpolitiker im Landtag an, die sich Ende voriger Woche mit der LSB-Krise beschäftigten. »Halbherzigkeit und Salamitaktik« rügte Angelika Klein (LINKE); der Sportbund sei »nicht in der Lage, die Konsolidierungsvereinbarung zu erfüllen«, wetterte die SPD-Frau Kriemhild Fischer.
Ein Fass ohne Boden ist für den LSB vor allem die Sportschule in Osterburg. Trotz guter Auslastung schreibt sie rote Zahlen, weil hohe Kredite abgestottert werden müssen. Die Schule erhält bereits jetzt 730 000 Euro jährlich vom Land – und benötigt wohl weitere 150 000 Euro. Die Landespolitik aber ist sehr zurückhaltend. Bischoff äußerte die Vermutung, dass die LSB-Verantwortlichen »die eigenen Dinge nicht geregelt bekommen und versuchen, uns vorzuschieben«. Zunächst müssten daher »alle Karten auf den Tisch«, so Klein. Eine Entscheidung, fügt die FDP-Abgeordnete Lydia Hüskens an, sei erst sinnvoll, »wenn wir alle Fakten und Risiken kennen.« Der CDU-Mann Marko Tullner sagt: »Das Vertrauen ist nicht mehr da.« Vor Ende September wird nicht über eine Geldspritze entschieden.
Wie ernst die Lage im Sportbund zu sein scheint, belegt ein Angebot des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), der der kriselnden Landesorganisation ein Darlehen angeboten hat, aber im Gegenzug einen Vertreter in die LSB-Führung entsenden will – eine Maßnahme, wie sie von in gravierende Schieflage geratenen Firmen bekannt ist. Und tatsächlich gilt der Sportbund mittlerweile als »Sanierungsfall«. So jedenfalls formuliert es Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), der ankündigte, unabhängige Wirtschaftsprüfer in die Organisation schicken zu wollen.
Ob diese, wenn die Risiken bekannt sind, eine erneute Finanzspritze vom Land erhält, gilt als offen; denkbar ist auch eine Insolvenz – auch wenn das bundesweit beispiellos wäre. Nicht nur CDU-Mann Tullner erklärt, »lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende« erleben zu wollen. Allerdings müsse es einen Plan dafür geben, wie es danach weitergehen solle, sagt Linksfraktionschef Wulf Gallert, der zudem davor warnt, die Causa zur politischen Auseinandersetzung im anlaufenden Wahlkampf zu missbrauchen.
Betont wird, dass die Sportvereine nicht direkt von den Problemen betroffen seien; ihre Fördergelder werden seit der Krise von 2008 ohnehin über Ministerium und Investitionsbank ausgezahlt. Eine Insolvenz hätte dennoch Folgen, warnt LSB-Präsident Andreas Silbersack: Vereine hätten von der Dachorganisation Darlehen erhalten, die ein Insolvenzverwalter sofort zurückforderte: »Die Gesamtstruktur des Sports würde zusammenbrechen.«
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