Misstöne in der Olivia-Halle von Gdynia

Peinlichkeiten während der Feier zum Solidarnosc-Jubiläum

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus Anlass der 30. Jahrestages der Solidarnosc-Gründung fand sich polnische Prominenz am Montag in der Olivia-Halle in Gdynia zu einem feierlichen Gewerkschaftstag ein. Die Feier artete allerdings zum Krakeel aus.

Es gab Krach, peinliche »Belehrungen« und Zwischenfälle, die vor allem zwei geladene Gäste betrafen: Staatspräsident Bronislaw Komorowski und Premier Donald Tusk. Beide verließen nach der für sie kritischen Ansprache des heutigen Solidarnosc-Vorsitzenden Janusz Sniadek unter Pfiffen und Rufen wie »Solidarnosc, Solidarnosc« und »Hier ist Polen« den Saal. Der ehemalige Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki schloss sich ihnen an.

Bereits beim Eintreffen der Gäste herrschte unter den »Delegierten« eine eisige Stimmung. Komorowski wurde schweigend empfangen, Tusk mit Buhrufen. Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski schlug dagegen anhaltender Applaus entgegen. Es war klar, auf wessen Seite die Gewerkschaftsbosse – denn aus solchen und aus rechtsgerichteten Politikern setzte sich die Teilnehmerschaft zusammen – standen.

Dies zeigte sich auch bei den Reden Komorowskis und Tusks. Der Präsident hatte bereits am Vortag in Szczecin Seltsames von sich gegeben: Die hoch ragenden Werftkräne wirkten wie polnische Freiheitsstatuen. Marian Jurczyk, im Jahre 1980 Streikführer in Szczecin, warf darauf prompt ein: »Von der Freiheit haben die Arbeiter am wenigsten.« In der Olivia-Halle lieferte Komorowski wieder Allgemeinplätze und freute sich ob des Sieges von Freiheit und Demokratie. Keinerlei Beifall. Regierungschef Tusk sprach davon, dass es unter den Solidarnosc-Mitgliedern seinerzeit keinen Hass gegeben habe (was nicht wahr ist – J. B.). Heute sei das anders, betonte er und fragte: »Was ist von der Bewegung der zehn Millionen geblieben?« Die Antwort waren Pfiffe.

Jaroslaw Kaczynski (»Ich spreche für meinen toten Bruder«) erklärte, die Solidarnosc sei als republikanische, patriotische und katholische Bewegung zu bezeichnen, der jetzigen Staatsführung fehle es dagegen an Werten (stürmischer Beifall). Darauf reagierte spontan Henryka Krzywonos, jene Straßenbahnführerin, die im August 1980 den Verkehr in Gdansk zum Erliegen gebracht und zu den Mitunterzeichnern der »Gdansker Vereinbarung« gehört hatte. Obwohl Janusz Sniadek sie vom Rednerpult abzudrängen versuchte, rief sie Kaczynski zu: »Was reden Sie fürn Quatsch! Schlagen Sie sich doch an die Birne!« Von Buhrufen unbeeindruckt, warf sie dem Oppositionsführer vor: »Sie waren ja damals gar nicht hier.« – »Alte Kuh!«, kommentierte ein anwesender PiS-Politiker.

Sniadek versprach in seinem Schlusswort: Wir lassen uns nicht im Museum einsperren, wir bleiben unter der Fahne. Über den gesellschaftlichen Dialog – dies sagte er zu Tusk – solle man nicht nur schöne Reden halten, sondern ihn tatsächlich führen. Womit er zweifellos Recht hatte.

Am Abend gab es eine Soiree unter der Parole »Solidarnosc – Wolnosc« (Solidarität – Freiheit). Festlich gekleidete »feine Leute« sahen und hörten, wie schlecht es den Polen unter der »Kommune« ging und wie gut doch alles nach dem Sieg der Solidarnosc geworden ist. An den Feiern nahmen weder Lech Walesa noch andere »legendäre« Streikführer wie Wladyslaw Frasyniuk oder Zbigniew Bujak teil.

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