Nicht nur Deutsch lernen
Neues Institut an der Uni Hamburg will Sprachkompetenz von Migrantenkindern verbessern
Bei der Vorstellung des achten Berichts über die Lage der Ausländer in Deutschland vermeldete die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer (CDU) Alarmierendes. Laut Bericht haben 13,3 Prozent der 15- bis 19-jährigen Migranten keinen Schulabschluss. Von den gleichaltrigen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund brechen hingegen nur sieben Prozent die Schule ab. Auch bei der Suche nach einem Arbeitsplatz haben es Migrantenkinder schwerer. Rund die Hälfte von ihnen findet erst nach etwa 17 Monaten eine Arbeitsstelle, deutsche Jugendliche werden im Schnitt bereits nach drei Monaten fündig. Entsprechend ist auch die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen mit einer Migrationsgeschichte mit 12,4 Prozent (2008) doppelt so hoch wie die von deutschen Kindern.
»Zu oft entscheidet die Herkunft beziehungsweise die soziale Lage noch über den Bildungsweg und damit über die Zukunft von Kindern und Jugendlichen«, heißt es in dem Bericht hellsichtig. Maria Böhmer zufolge müssten die Integrationsanstrengungen mit Nachdruck verstärkt werden. Von entscheidender Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die Sprachförderung, die schon im Kindergarten beginnen müsse. Doch im Bundesdurchschnitt liege die Betreuungsquote bei Kindern mit einem Migrationshintergrund um neun Prozent niedriger als bei deutschen Mädchen und Jungen. Böhmer: »Deswegen fordere ich, dass der Besuch des letzten Kindergartenjahres kostenfrei wird.« Ob sich diese Forderung angesichts des Sparkurses der Bundesregierung durchsetzen wird, ist zumindest fraglich.
Um die sprachliche Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund zu verbessern, kam es vor kurzem zur Gründung eines neuen Instituts an der Uni Hamburg. Das »FörMig« hat sich vor allem die Förderung der Mehrsprachigkeit von Migrantenkindern zum Ziel gesetzt. Damit werde mehr Chancengerechtigkeit hergestellt, lobte Schulsenatorin Christa Goetsch von der Grün-Alternativen Liste (GAL) auf der Gründungsveranstaltung. Die Leiterin der Forschungseinrichtung, die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin, betonte, dass das Zentrum in erster Linie die Aufgabe besitze, die national und international wichtigsten Forschungsergebnisse zum Problem der Chancengleichheit in heterogenen Bildungskonstellationen zusammenzutragen und für die interessierte Öffentlichkeit – von Eltern bis hin zu pädagogischen Fachleuten – aufzubereiten.« Unter »heterogenen Bildungskonstellationen« versteht Gogolin dabei »Gruppen und Bildungseinrichtungen, in denen Menschen vieler verschiedener sprachlicher und kultureller Herkunft gemeinsam arbeiten und lernen.« Darüber hinaus biete das Zentrum wissenschaftliche Beratung und Begleitung an. »Davon können zum Beispiel Bundesländer und Bildungseinrichtungen profitieren, die Reformvorhaben zur Verbesserung der Bildungschancen von Migrantenkindern, aber auch anderen benachteiligten Kindern durchführen wollen.«
Das Kompetenzzentrum in Hamburg geht zurück auf ein Forschungsprojekt, das 2004 begann und 2009 auslief. Im September 2004 startete das von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung unterstützte Modellprogramm »Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – FörMig«. Laufzeit: fünf Jahre. Gesamtvolumen der Förderung: 12,8 Millionen Euro, die zur Hälfte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein kamen. Mit dem Auslaufen des Forschungsprogramm wurde daher als »Transferstelle« das Kompetenzzentrum FörMig in Hamburg gegründet.
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