Skandal in Harvard
US-Starprofessor wird des Betrugs beschuldigt
Bis vor Kurzem galt Marc Hauser als einer der kreativsten Primatenforscher der USA. Mit Aufsehen erregenden Studien über die kognitiven Fähigkeiten von Affen und Menschen brachte es der heute 50-Jährige bis zum Professor für Psychologie und Anthropologie an der renommierten Harvard University. Seine Forschungsergebnisse teilte er in sechs Büchern und ca. 200 Aufsätzen der Öffentlichkeit mit. Ein Buch erschien 2001 auch auf Deutsch unter dem Titel »Wilde Intelligenz. Was Tiere wirklich denken«. Für seine Arbeit wurde Hauser mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Young Investigator Award der National Science Foundation und der Wissenschafts-Medaille des Collège de France.
Seit einigen Tagen ist es mit dieser Herrlichkeit vorbei. Denn wie die Harvard University nach längerem Zögern bekannt gab, habe sich Hauser in mindestens acht Fällen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht. Sowohl bei der Beschreibung der Versuchsmethoden als auch bei der Erhebung und Analyse der Daten stellte eine Kommission Unregelmäßigkeiten in den Arbeiten des Starprofessors fest. 2007 hatte dieser in der Zeitschrift »Proceedings of the Royal Society B« behauptet, dass Rhesusaffen die Gesten von Menschen richtig deuten könnten. Inzwischen hat Hauser den Aufsatz ergänzt und in Teilen revidiert. Eine andere Arbeit aus dem Jahr 2002 zog er gleich ganz zurück. Darin steht, dass sogenannte Liszt-Affen ähnliche geistige Fähigkeiten entwickelten wie Kleinkinder.
Dass mit Hausers Studien etwas nicht in Ordnung sei, wurde indes schon früher vermutet. So hatte er 1995 aus Experimenten gefolgert, dass Liszt-Affen sich selbst im Spiegel erkennen würden. Obwohl andere Forscher außer Stande waren, die Ergebnisse zu bestätigen, wagte niemand, an der Integrität des hochgelobten Harvard-Wissenschaftlers zu zweifeln. Erst nach den jüngsten Enthüllungen ließ die Harvard University verlauten, dass es Hauser ein Jahr lang untersagt sei, Lehrveranstaltungen abzuhalten. Zwar dürfe er bis zur Klärung sämtlicher Vorwürfe sein Labor weiterführen und Doktoranden betreuen. Allerdings werde er dabei vom Dekan der Fakultät für Künste und Wissenschaften regelmäßig kontrolliert.
Wie sich denken lässt, ist die Aufregung in der Fachwelt groß. Denn nicht wenige Studien auf dem Gebiet der Kognitionsforschung hätten die Daten Hausers zur Grundlage, sagt dessen Kollege Klaus Zuberbühler von der University of St. Andrews in Schottland. Gegenwärtig wisse niemand, was davon überhaupt noch verwertbar sei und was nicht. Hauser selbst ist für die Öffentlichkeit seit Tagen nicht zu erreichen und erklärte kurz vor seinem Abtauchen, dass er ein neues Buch schreibe. Dessen Arbeitstitel lautet, frei ins Deutsche übersetzt: »Erklärung der bei Menschen entwickelten Neigung, böse zu sein«.
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