Mappus sagt S-21-Gegnern Kampf an

Der Streit in Stuttgart wird immer politischer – Polizei räumt Zeltstadt im Schlosspark

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wut wächst. Die Polizei hat mit mehreren Hundertschaften im Stuttgarter Schlosspark eine Zeltstadt von Stuttgart-21-Gegnern geräumt. Demonstranten hatten dort nach der Großdemo vom Samstag rund 200 Zelte im Schlosspark aufgebaut.

»Auf zum Endspurt – Volksversammlung im Schlossgarten« hatten die Stuttgart-21-Gegner die samstägliche Großdemo überschrieben. Bei Sonnenschein strömten Alte und Junge, Familien und Freundesgruppen in den großen Park gleich neben dem Bahnhof. Auf der zwei Stunden währenden Kundgebung sprachen Vertreter der Grünen, der Linkspartei, vom BUND, vom Verkehrsclub Deutschland und Parkschützer. An der Demo hatten nach Veranstalterangaben 55 000 Menschen teilgenommen, die Polizei sprach von 33 000 Demonstranten

In den vergangenen Wochen ist der Protest gegen Stuttgart 21 immer mehr zu einer Bewegung für mehr Bürgerbeteiligung und Demokratie geworden. »Viele sehen ihr Vertrauen in die Demokratie in Frage gestellt«, stellte Parkschützer Jürgen Hugger fest.

Zu weit gegangen

Jahrzehntelang haben die Wähler in Baden-Württemberg und auch in Stuttgart mehrheitlich CDU gewählt und waren mit deren Politik recht zufrieden. Doch nun sind die etablierten Parteien und vorneweg die Christdemokraten offensichtlich einen Schritt zu weit gegangen. Davon zeugen auch viele der selbst gemalten Plakate der Demonstranten: »Ehemaliger CDU-Stammwähler gegen Stuttgart 21« heißt es da, »Mappus, tritt unsere Argumente nicht mit Füßen!«, »Abschaffung der Parteiendiktatur! Wahlgesetz ändern!«, »Bravo, SPD wacht auf – CDU versinkt in Beton«. CDU-Regierungschef Stefan Mappus sagte den Demonstranten am Sonnabend explizit den den Kampf an: »Mir ist der Fehdehandschuh hingeworfen worden, ich nehme ihn auf.«

Seit voriger Woche fordert die Landes-SPD einen Baustopp, ihr prominentes Mitglied Wolfgang Drexler legte daraufhin seinen Posten als Sprecher für Stuttgart 21 nieder. Das sehen die Demonstranten in Stuttgart als ihren Erfolg. Und auch dass Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst in Berlin energisch für das – je nach Quelle – 7 bis 10 Milliarden Euro teure Projekt eingetreten ist, hat die S-21-Gegner eher beflügelt. Ihr Protest wird nun auch in der Bundespolitik wahrgenommen. Und die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durch CDU und FDP wird als Bestätigung des Protestes gegen S 21 gesehen: Dort wurde der Atomlobby nachgegeben, in Stuttgart der Bau- und Immobilienlobby.

Training mit Robin Wood

Während die Front der S-21-Befürworter bröckelt, wird die der Gegner breiter. Immer deutlicher schlagen sich Gewerkschaften auf die Seite der Demonstranten. Konstantin Wecker versprach, demnächst auf einer Demo in Stuttgart zu spielen. Der Protest geht also weiter und der nächste Eskalationsschritt dürfte nicht fern sein: Die Fällung von 280 alten Bäumen im Schlosspark soll im Oktober beginnen. Robin-Wood-Aktivisten halten derzeit vier Bäume besetzt, das Training »Wie kette ich mich an Bäume« wird regelmäßig angeboten. Jürgen Hugger schickte eine Warnung an die Politik: »Wer keine Gewalt will, darf nicht durch Provokationen Gewalt säen.« Gegen die Räumung der Zelte gab es nach Angaben der S-21-Gegner eine Spontandemonstration.

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