Teheran zeigt Nerven

Iran zwischen Parteienverbot, Computerwurm und ökonomischen Problemen

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein iranisches Gericht hat jetzt zwei Oppositionsparteien verboten. Wie ein Justizsprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA am Montag mitteilte, dürfen die »Islamische Front Irans für Partizipation« (IIPF) und die »Organisation der Mudschahedin der Islamischen Revolution«, (IRMO) keine politischen Aktivitäten mehr entfalten. Die meisten Mitglieder der Parteien sind in Haft, weil sie angeblich Anstrengungen zum Umsturz des Regimes unternommen haben sollen. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass auch die Zeitungen »Andishe No« (Neues Denken) und »Bahar Zanjan« (Der Frühling von Zanjan) verboten wurden.

Es kam wie üblich aus heiterem Himmel, jedenfalls war von einem Verbotsverfahren gegen die einst von Anhängern des ehemaligen Reformpräsidenten Ayatollah Mohammed Chatami gegründeten und von seinem Bruder Mohammed Reza Chatami geführten IIPF öffentlich nichts bekannt. Das ist ungefähr so, als würde man in Deutschland eines Morgens erfahren, ein nicht näher genanntes Gericht habe soeben die SPD verboten. Wobei diese neuen Repressionsmaßnahmen Ausdruck großer Unsicherheit in Teheran sind. In der Wirtschaft und selbst im Atomprogramm ist derzeit der Wurm drin, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Der Computerwurm Stuxnet macht die Runde.

Experten vermuten, dass der besonders komplizierte Computervirus – da er sich reproduziert, ein »Wurm« – im Auftrag eines anderen Staates in die Welt gesetzt wurde, um industrielle Anlagen in Iran, insbesondere Atomanlagen, zu schädigen. Teheran hat eingeräumt, das Laptops von Mitarbeitern des ersten iranischen Kernkraftwerkes in Bushehr, das im Dezember ans Netz gehen soll, betroffen sind – jedoch nicht die Anlage selbst. Allerdings sind die Computer von Mitarbeitern genau die Schwachstelle, auf die Stuxnet zielt, da eine Anlage wie Bushehr aus Sicherheitsgründen nicht mit dem Internet verbunden ist. Während das Außenministerium am Dienstag den Computer-Schädling herunterspielte – »Jetzt kommt der Westen mit einer neuen Geschichte und einem neuen Propaganda-Trick, den kein Mensch hier ernst nimmt«, so Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast –, warnte die iranischen IT-Organisation eindringlich vor dem Trojaner und forderte alle Behörden auf, das Problem ernst zu nehmen. Etwa 30 000 Rechner in iranischen Industrieanlagen sollen nach amtlichen Angaben von dem Virus infiziert worden sein.

Doch Stuxnet ist nur eines der Probleme für das Regime und bisher nicht mal das größte. Am Wochenende fiel der Kurs des iranischen Rial gegenüber dem Dollar um drei Prozent. Zwei mögliche Gründe werden genannt: ein Streik der Goldhändler im Teheraner Basar gegen eine geplante Mehrwertsteuererhöhung und Schwierigkeiten wegen der Sanktionen, Geschäfte über die Arabischen Emirate abzuwickeln. Der Basar war einst ein großer Rückhalt für das Regime, und der Handel über die Arabischen Emirate ist nicht weniger wichtig. Wo man hinsieht, gibt es wirtschaftliche Probleme. Selbst in der Landwirtschaft sind 70 0000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Auch die Landbevölkerung war bisher eine Stütze des Regimes.

Dabei beginnen die im Juni wegen des iranischen Atomprogrammes verschärften Sanktionen gerade erst, Wirkung zu entfalten. Selbst Firmen, deren Produkte nicht unter die noch schmale Embargoliste fallen, ist das Geschäft mit Iran nicht mehr geheuer. Das reicht vom deutschen Stahlkonzern ThyssenKrupp bis zum südkoreanischen Fahrzeugbauer KIA. Ein schwerer Schlag dürfte auch gewesen sein, dass Moskau überraschend den Verkauf von Flugabwehrraketen an Iran verboten hat.

In die Lücke versucht die Türkei, die im UN-Sicherheitsrat gegen die Sanktionen stimmte, zu springen. Ministerpräsident Tayyip Erdogan will den Handel mit Iran verdreifachen. Auch Irans Geschäfte mit China florieren. Doch viel mehr Lichtblicke gibt es nicht. Hinzu kommt das »Reformprojekt« der Regierung Ahmadinedschad. So soll mit den hohen Subventionen für Energie und Grundnahrungsmittel Schluss sein. Die Iraner spürten es erstmals im September an explodierenden Stromrechnungen. Um soziale Härten zu vermeiden, soll Bedürftigen nun direkt geholfen werden. 74 Prozent der Haushalte haben bereits einen Antrag auf staatliche Hilfe gestellt. Selbst ein so treuer Parteigänger Ahmadinedschads wie Ayatollah Ahmad Jannati hat in seiner Freitagspredigt gewarnt: »Wir haben eine durchaus kärgliche Zeit vor uns.«

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