Energiesparen ist das Wichtigste
Prof. Zhang Guansheng über die Klimastrategie der Volksrepublik China
ND: Wenn hierzulande um den Bau neuer Kohlekraftwerke diskutiert wird, führen die Befürworter gerne an, in China entstehe jede Woche eine neue Anlage. Stimmt das?
Zhang Guansheng: Zirka 70 Prozent des chinesischen Primärenergieverbrauchs stammen aus Kohlekraftwerken. Im Moment sind wir noch sehr stark auf Kohle angewiesen, denn andernfalls müsste China viel mehr Öl und Erdgas importieren. Etwa zwei Drittel der Stromerzeugung erfolgt in Kohlekraftwerken und ein Drittel in Wasserkraftwerken. Es stimmt, dass China in den letzten Jahren, um den wachsenden Energiebedarf zu befriedigen, vermehrt neue Kohlekraftwerke gebaut hat. Andererseits werden viele alte Kraftwerke, die kleiner sind und eine schlechte Effizienz haben, abgeschaltet. Zusammengerechnet gehen jährlich zehn Gigawatt vom Netz. Die neuen Großkraftraftwerke haben pro Block mindestens ein Gigawatt Leistung und einen Wirkungsgrad von rund 40 Prozent. Sie sind hauptsächlich für die Stromerzeugung gedacht. Daneben werden auch kleinere Einheiten gebaut, die sowohl Strom als auch Wärme liefern.
Wie lange kann sich China noch mit eigener Kohle versorgen?
In Westchina wurde gerade eine große neue Kohlelagerstätte gefunden. Unsere Vorräte werden noch sehr, sehr lange reichen, und die Kohle wird auch langfristig eine zentrale Rolle spielen. Chinas Energiestrategie setzt an erster Stelle auf Einsparungen, an zweiter Stelle auf einen effizienteren Einsatz der Energie und an dritter Stelle auf die Entwicklung erneuerbarer Energieträger als Ergänzung zu den herkömmlichen.
Wo liegen Chinas Einsparpotenziale?
Es gibt drei große Bereiche: Als erstes ist da die Stromversorgung. Dort schließen wir die kleineren Kraftwerke und bauen große, leistungsfähigere und effizientere Anlagen. Dann müssen die Heizungsanlagen erneuert und die Häuser besser isoliert werden. Schließlich gibt es im privaten Verbrauch bei den Elektrogeräten sowie im Verkehr und Transport Einsparungsmöglichkeiten. Der Hauptenergieverbrauch findet allerdings in der Industrie und in der Stromproduktion statt. Dort sind die großen Einsparpotenziale. Die Haushalte spielen nur eine geringe Rolle.
Welche politischen und ökonomischen Instrumente werden in China angewandt, um in der Industrie einen effizienteren Einsatz von Energie durchzusetzen?
Es gibt zahlreiche Gesetze und Verordnungen für die staatlichen Unternehmen. Wir haben diese in Abhängigkeit von Verbrauch und Einsparpotenzial in drei Gruppen eingeteilt, die unterschiedlich behandelt werden. Für die 1000 größten staatlichen Betriebe gibt es eine Aktion, in deren Rahmen zwischen Staat und Unternehmen Verträge abgeschlossen werden, die die Einsparanforderungen und auch die Verantwortung der Manager detailliert festlegen. Werden die Verträge nicht eingehalten, müssen die Unternehmen mit Bußgeldern rechnen. In schlimmeren Fällen müssen die Geschäftsführer auch persönliche Konsequenzen tragen. Ähnliche Verträge gibt es mit privaten Unternehmen, auch mit ausländischen, allerdings nur auf freiwilliger Basis.
Werden entsprechende Fortbildungsprogramme für Manager und Ingenieure angeboten?
Es gibt verbindliche Schulungen im Bereich Energiesparen, angepasst an die jeweilige Zielgruppe. Am Ende stehen Prüfungen, die bestanden werden müssen, wodurch die Teilnehmer ein staatliches Zertifikat erhalten. Ohne dieses können weder Manager noch Ingenieure arbeiten. Ein weiteres Instrument ist ein System strikter technischer Standards, die auf mehr Energieeffizienz zielen. Das wurde vor kurzem für die sechs besonders energieintensiven Branchen eingeführt. Im Augenblick arbeiten wir daran, es auf die ganze Wirtschaft auszudehnen.
Derzeit wird über den nächsten Fünf-Jahres-Plan diskutiert. Welche Ziele sollte China sich setzen?
Im auslaufenden Plan lautete das Ziel, den Energieeinsatz pro Einheit an Wirtschaftsleistung um 20 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 zu erreichen. Für die nächsten fünf Jahre, so steht es im Plan-Entwurf, sollen es weitere 25 Prozent werden. Die Kohlendioxidemissionen pro Einheit Sozialprodukt sind in den letzten fünf Jahren um zehn Prozent reduziert worden. Für 2020 wird eine Minderung von 40 bis 45 Prozent angestrebt.
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