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Journalisten brauchen Liebe
TOM RACHMAN führt mit in eine Redaktion nach Rom
Eine Tageszeitung in Rom, der es nicht gut geht: Was Tom Rachman in seinem Debütroman »Die Unperfekten« über das fiktive Blatt schreibt, richtet die Nackenhaare, aber auch die Mundwinkel auf. Die Zeitung hat keine eigene Webseite. Der introvertierte Jungverleger spricht nur mit seinem Hund. Ihre Leser schwinden dahin, ebenso die Motivation der Mitarbeiter. Überhaupt scheint das Arbeitsklima noch tiefer im Keller zu stecken als die Jahresbilanz. Die Redakteure tun alles, »um ja nicht gemeinsam den Fahrstuhl nach unten nehmen zu müssen«, über Persönliches redet keiner. Dabei hätten sie so vieles gemeinsam: das Gefühl, ihr Leben im Job aufzureiben, die Angst vor Alter und Einsamkeit. Das Bedürfnis nach Liebe.
Der ehemalige Journalist Tom Rachman erzählt in elf Episoden von den Mitarbeitern dieser namenlosen Zeitung: vom Auslandskorrespondenten, der Wirtschaftsreporterin, dem Korrektor, der Finanzchefin. Auch von der treuen Leserin Ornella de Monterecchi. Seit 1976 studiert die Dame jede Ausgabe der Zeitung zwanghaft von A bis Z und hinkt dem aktuellen Nachrichtenstand von 2007 um gute 13 Jahre hinterher.
Die knapp 400 Romanseiten lesen sich als Abfolge von Kurzgeschichten. Miteinander nur oberflächlich verbunden, offenbaren die Kapitel jene Leben hinter der beruflichen Fassade, die im Zeitungsalltag verborgen bleiben. Es sind kleine Dramen, die da zum Vorschein kommen, durch Rachmans humorvolle Schilderung bittersüß eingefärbt.
Da ist die notorisch fluchende Textredakteurin Ruby Zaga, die unter dem Mobbing der Kollegen und akuter Einsamkeit leidet. Nach Berührung dürstend streift sie auf der Straße die Hände von Fremden »in flüchtigen Streicheleinheiten«. Der 70-jährige Paris-Korrespondent Lloyd Burko, einst Frauenheld und heller Stern am Journalistenhimmel, kann sich als freier Autor kaum über Wasser halten und fälscht in seiner Not erstmals eine Titelstory. Nachrufeschreiber Arthur Gopal hingegen will »so selten wie möglich ein eigenes Stück im Blatt haben und sich davonschleichen, wenn niemand guckt.«
Skurril sind sie, diese Journalisten. Ganz aus dem Leben gegriffen oder doch nur Karikaturen? Der in London geborene, 34-jährige Tom Rachman arbeitete sieben Jahre lang als Auslandskorrespondent für die renommierte Nachrichtenagentur Associated Press. Er kennt das Milieu. Schade deshalb, dass er doch nur schablonenhafte Charaktere entwirft, die allzu oft Klischees bedienen. Das Unperfekte seiner Figuren ist zu perfekt konstruiert. Zum Beispiel der junge Möchtegern-Reporter Winston Cheung. Er fliegt nach Kairo, um Auslandskorrespondent zu werden, hat aber »keine Ahnung, wie Journalismus geht«. Verloren tappt er durch die Stadt und »spekuliert auf eine Bombenexplosion – nicht allzu nahe natürlich, im sicheren, aber mitschreibfähigen Abstand.« Völlig überrannt wird das Jüngelchen von dem Kriegsreporter-Haudegen Snyder, der auf Extremsport steht, »die Miezen« anmacht und es »echt geil« findet »wieder in Nahost zu sein.« Liest sich lustig. Die Übertreibung wirkt letztlich aber doch ermüdend.
Dabei hat Rachman ein feines Gespür dafür, zwischenmenschliche Dynamiken zu beschreiben. Schnörkellos und fesselnd, doch mit einem Hauch ironischer Distanz. Das wird in mehr als einer Episode deutlich. Letztlich mag ihm die Zeitungsbranche nur als Rahmen dienen, um von den Sehnsüchten zu erzählen, die unsichtbar in jeden Berufsalltag eingewoben sind.
Tom Rachman: Die Unperfekten. Roman. Aus dem Englischen von Pieke Biermann. dtv. 400 S., brosch., 14,90 €.
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