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Glück in glücksfernen Gegenden

ROLAND E. KOCH über Menschen »unter femdem Himmel«

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

An sein erstes Haus erinnert sich der Erzähler in Roland E. Kochs neuem Roman sehr gern, denn es war zugleich das schönste. Dort hat der aus Osteuropa nach Deutschland für viel Geld eingeschleuste Simon erstmals die Freiheit erlebt. Simon ist, wie der Leser schnell erfährt, schwer traumatisiert. Die Erinnerung an eine noch relativ unbekümmerte Kindheit vermischt sich mit fürchterlichen Bildern von Gefangenschaft, Folter und schmerzhaften späteren Erfahrungen. Angekommen in Deutschland, genauer im ländlichen Raum Niedersachsens, macht er die Bekanntschaft der jungen Russin Valentina, die sich noch um den kleinen Jungen Roddy kümmert. Rasch kommen sie einander näher, beschließen gemeinsam, ihrer Situation als ungewünschte, später gar verhasste Fremde zu trotzen. Hilfe finden sie u. a. bei einem alten Fahrradhändler, der Simon Arbeit im Laden anbietet und später die Übernahme des Geschäfts samt Adoption in Aussicht stellt. Was sich so glatt anhört, ist es allerdings beileibe nicht ...

Über den ganzen Text, der aus der Sicht des Ich-Erzählers Simon geschrieben ist, legt sich bleischwer, was Herta Müller einmal »die große Angst« genannt hat. Immer wieder und plötzlich überfallen den Erzähler Erinnerungen an einstige Verletzungen. So scheint es auch dem Jungen Roddy zu gehen. Er spricht nicht, vermag sich nur in kaum nachvollziehbaren Aktionen auszudrücken – so wirft er Steine auf PkWs. Valentina, die am ehesten Boden unter sich zu spüren scheint, versucht die Vergangenheit im planvollen Blick auf eine bessere Zukunft zu bannen.

Dem steht die ständige Suche nach Liebe und Geborgenheit, nach einem stillen Glück im Winkel gegenüber, nach dem richtigen Ort, an dem die drei endlich leben können. Ab und an scheint es, als habe Simon seinen Platz gefunden: »Der Boden war glücklich für mich, die Stelle, auf der ich stand, strömte, ich setzte mich für einen Moment auf den Fußboden, schloss die Augen und sah mich mit vielleicht vier oder fünf Jahren, mutig, energisch, gesund, bereit, jeden Tag etwas zu erproben, mich selbst, ich war wieder dort und atmete die Kraft ein, die von da kam.« Aber: »Ich werde älter, rasend schnell, ich spüre mich auf das Ende zulaufen, ... treibe auf einem Boot in der Strömung an den Gräsern vorbei, die ich ergreifen möchte, deren Wurzeln mich etwas lehren könnten. Ich brauchte zehn mal vierzig Jahre, um das wieder zurückzuholen, was verloren ist oder vergangen.«

Ein tief bewegender Roman. Wenn es aus der Lektüre eine Lehre zu ziehen gelte, könnte dies die anhaltend aktuelle Frage des Philosophen Theodor W. Adorno sein, ob so etwas wie das richtige Leben im falschen möglich sei.

Roland E. Koch: Unter fremdem Himmel. Roman. Dittrich Verlag. 240 S., geb., 19,80 €.

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