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Demokratie auf Irakisch

Sieben Monate nach Parlamentswahlen noch keine neue Regierung

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Sieben Monate nach den Parlamentswahlen hat Irak einen zweifelhaften Weltrekord aufgestellt. Die Parteien haben sich noch immer nicht auf die Bildung einer neuen Regierung einigen können. Ob neuere Stellungnahmen und Versprechungen Vorboten einer Lösung sind, bleibt abzuwarten.

Knapper Sieger der Parlamentswahlen am 7. März war die säkulare Al-Irakia-Liste mit Spitzenkandidat Ijad Allawi, gefolgt von der Koalition für Rechtsstaatlichkeit des bisherigen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und der Irakischen Nationalen Allianz (INA), einem Bündnis vorwiegend schiitischer Parteien. Auf Platz vier landeten die kurdischen Parteien. Um eine mehrheitsfähige neue Regierung bilden zu können, müssen sich mindestens drei dieser vier Blöcke auf eine Koalition einigen. Dem eigentlichen Wahlsieger Ijad Allawi ist das bisher ebenso wenig gelungen wie Amtsinhaber Nuri al-Maliki.

Die Regierungsbildung dürfte letztlich von äußeren Kräften abhängen. Offiziell weisen zwar alle Seiten eine Einmischung zurück, doch konkurrieren vor allem die USA und Iran um Einfluss in Irak. Westliche Medien berichteten am Wochenende, die Regierungsbildung in Bagdad stehe kurz bevor, weil sich die Schiiten-Allianz INA auf Nuri al-Maliki als Premierminister geeinigt habe. Nach hartnäckigem Widerstand habe sein Kritiker Muktada Sadr seine Zustimmung schließlich doch gegeben, meldeten Agenturen. Die Sadr-Bewegung ist die stärkste Partei in der INA, sie wurde unter der Regierung Maliki blutig verfolgt. Wenn sie dessen weiterem Amtieren jetzt zustimmt, dürfte dies iranischem Druck geschuldet sein. Zwei weitere Parteien der Allianz, der Hohe Islamische Rat in Irak (SIIC) und die kleine Fadilah-Partei, waren der Abstimmung ganz ferngeblieben. Beide Parteien trafen sich stattdessen mit Al Irakia, der Liste des Maliki-Rivalen Allawi, um sich eventuell auf einen dritten Kandidaten als Ministerpräsident zu einigen, den bisherigen Vizepräsidenten Adil Abdulmehdi. Dessen Wahl wird auch vom Irakischen Einheitsblock und von einer weiteren kleineren Partei unterstützt. International findet der Kandidat jedoch wenig Zustimmung.

Die Situation in Irak dürfte am Wochenende auch Thema beim Staatsbesuch des syrischen Präsidenten Bashar al Assad in Teheran gewesen sein. Wenige Tage zuvor war Assad mit Ijad Allawi in Damaskus zusammengetroffen. Dabei soll Allawi Medienberichten zufolge den syrischen Präsidenten gebeten haben, von Iran Zurückhaltung bei der irakischen Regierungsbildung zu verlangen. Von den USA wird Allawi gedrängt, als Chef eines neu zu gründenden Nationalen Sicherheitsrates die Macht mit Ministerpräsident Maliki zu teilen, was Allawi jedoch bisher ablehnt.

Zünglein an der Waage könnten erneut die Kurden sein. Die Kurdische Allianz legte ein Zehnpunktepapier vor, von deren Zustimmung sie ihre Unterstützung für einen künftigen Ministerpräsidenten abhängig machen will. Zentrales Anliegen der Kurden ist die Umsetzung von Artikel 140 der irakischen Verfassung, der ein Referendum über die Zukunft der erdölreichen Stadt Kirkuk vorsieht.

Eine vorgesehene Volkszählung in Irak wurde derweil erneut auf Ende des Jahres verschoben, wie aus Kreisen des Planungsministeriums bekannt wurde. Als Grund wurde mangelnde Vorbereitung in der Provinz Ninova angegeben. Ninova (Provinzhauptstadt Mossul) und die Provinz Tamim (Kirkuk) gelten als »umstrittene Gebiete«, die von der kurdischen Regionalregierung beansprucht werden.

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