Die Fronde formiert sich
Die Hälfte der Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern will gegen die Gebietsreform klagen
»Sechs plus zwei« heißt das Modell, nach dem Mecklenburg-Vorpommern neu gestaltet werden soll: Die Zahl der Landkreise wird halbiert, von den kreisfreien Städten sollen nur zwei bleiben, nämlich Rostock und die Landeshauptstadt Schwerin. So hat es der Landtag beschlossen – ob es aber so kommen wird, ist noch nicht ausgemacht. In diesen Tagen formiert sich nämlich die Fronde gegen die Reform. Dise soll Kosten sparen und zugleich effizientere Strukturen schaffen.
Die Gruppe der Gegner, die nun vor das Landesverfassungsgericht ziehen wollen, könnte man ebenfalls auf die Formel »sechs plus zwei« bringen. Fast die Hälfte der bestehenden Landkreise – nämlich Ludwigslust, Demmin, Müritz, Ostvorpommern, Rügen und Uecker-Randow wollen gerichtlich gegen ihre Auflösung vorgehen – und nun kommen mit Wismar und Greifswald noch zwei der bislang kreisfreien Städte hinzu, die diesen Status verlieren sollen. Auch CDU- und SPD-Kreispolitiker sind unter den Klägern.
Damit könnte sich die Geschichte wiederholen: Bereits 2006 hatten die Verfassungsrichter in Greifswald über eine Kreisreform zu entscheiden, die von der damaligen rot-roten Landesregierung beschlossen worden war; elf der zwölf Kreise hatten geklagt. Das Gericht wies die Reformpläne 2007 als verfassungswidrig zurück – kurz nach der Ablösung der Koalition. Die inzwischen in Schwerin regierende CDU/SPD-Koalition bastelt seit nunmehr vier Jahren an ihrer Reform – und abermals könnte der Unmut der zu Reformierenden in ein Wahljahr hineinreichen: 2011 ist der Landtag neu zu wählen.
Fehler nicht beseitigt?
Die Kläger geben sich selbstbewusst: Zum Beispiel Matthias Dombert, ein Rechtsanwalt, der lange als Brandenburger Verfassungsrichter gewirkt hat und die Materie kennt, ist sich ziemlich sicher, mit einer Klage Erfolg zu haben. Das Gesetz sei verfassungswidrig – unter anderem, weil es »die wirtschaftlichen Erfolge« der kreisfreien Städte untergehen lasse.
Auch die Landtagsopposition aus Linkspartei und FDP spricht in dieser Sache mit einer Stimme – was selten genug vorkommt. Zuletzt war es der liberale Fraktionschef Michael Roolf, der die Kläger ermutigte: Die Reform sei keine »Reform im Dialog« gewesen. »Der Ansatz der Landesregierung schränkt in erheblichem Maße die kommunale Selbstverwaltung ein und bleibt den Nachweis schuldig, dass Fehler aus dem ersten Reformversuch beseitigt wurden«, sagt Roolf. Die Linkspartei im Land argumentiert ähnlich.
Das Verfassungsgericht hatte an dem rot-roten Erstversuch unter anderem kritisiert, dass gegen das »Prinzip der Überschaubarkeit« verstoßen worden sei. »Kreise müssen so gestaltet sein, dass es den Kreistagsabgeordneten möglich ist, eine ehrenamtliche Tätigkeit im Kreistag und seinen Ausschüssen zu entfalten«, hatte Gerichtspräsident Gerhard Hückstädt seinerzeit in der Begründung des Urteils ausgeführt. Die damals geplanten fünf Großkreise hätten auch die kommunale Selbstverwaltung unzulässig eingeschränkt. Zudem hatte das Gericht die Vorbereitung bemängelt. Die Betroffenen seien nicht ausreichend angehört worden, hieß es damals.
Nicht ernst genommen
Anhörungen hat es nun genug gegeben, eine Enquete-Kommission hat jahrelang getagt. Dennoch fühlten sich die Kreise und Städte nicht ernst genommen: Im Prinzip, so ihr Tenor, sei die Reform so aus der Kommission herausgekommen, wie die Regierung sie hinein gegeben hatte. Und allein die Tatsache, dass es nun einen Kreis mehr und doch noch zwei freie Städte geben soll, macht aus Sicht der Kläger noch keinen hinreichenden Unterschied.
Die Linkspartei bemängelt zudem, dass es – anders als beim ersten Anlauf – keine tiefgreifende Kommunalreform geben werde. Das rot-rote Reformmodell hatte den neuen Kreisen – gewissermaßen als Ausgleich – in der Beziehung zwischen Land und Kreisen mehr Kompetenzen geben wollen.
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