Abgabe für Blinde und Sehbehinderte
Die GEZ-Gebühr soll transparenter und gerechter werden, doch das Gegenteil ist der Fall
Mitte Mai veröffentlichte das Onlineportal »Carta« einen von der Rundfunkkommission der Länder vorbereiteten Staatsvertragsentwurf für einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag. Daraus wurde ersichtlich, dass die seinerzeit zumindest nach außen hin offengehaltene Frage, ob es zu einer allgemeinen Haushalts- und Betriebsstättenabgabe kommt, hinter den Kulissen längst entschieden war. Anfang Juni meldeten die Ministerpräsidenten unter Federführung von Kurt Beck (Rheinland-Pfalz, SPD) lediglich Vollzug. Entgegen der in Presse und Rundfunk oft kolportierten Meinung, die Gebührenreform führe zu einer Reduzierung oder gar Abschaffung der Aufgaben der GEZ, war damals schon klar, dass das Gegenteil der Fall sein und die Datensammelwut infolge des Übergangs zur Haushaltsgebühr ausgeweitet wird.
Nun liegt ein überarbeiteter Entwurf zur Änderung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags vor, mit dem sich auf Einladung der Rundfunkreferenten der Länder gestern Experten in Berlin beschäftigten. Gegenüber Mai hat sich nur wenig geändert. So sollen Zweit- und Ferienwohnungen – sofern nicht entgeltlich durch Dritte genutzt – nicht mehr der vollen Abgabenhöhe unterworfen werden. Dagegen müssen die mehr als 775 000 bislang von der Gebühr befreiten Blinden, sehbehinderten, hörgeschädigten und behinderten Menschen künftig einen Betrag in Höhe eines Drittels der Gebühr zahlen.
Die Staffelung der GEZ-Gebühr nach Unternehmensgröße und Zahl der Filialen ist so geregelt, dass die relative Belastung pro Beschäftigten sinkt, je größer ein Unternehmen ist. Mittelständische Unternehmen haben darauf hingewiesen, dass vor allem Unternehmen mit einem großen Filialnetz überdurchschnittlich belastet werden. So würde sich für eine Bäckerei mit sechzig Mitarbeitern, zwölf Filialen und acht Betriebsfahrzeugen die Jahresgebühr von 423 Euro auf 2030 Euro erhöhen.
Beim Namen bleibt dagegen alles beim Alten. Die GEZ soll nun doch nicht wie ursprünglich geplant in »Rundfunkservicezentrale« umbenannt werden. Im Staatsvertragsentwurf ist nur noch von einer »nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft« die Rede. Das aber ist nichts anderes als der Status, den die GEZ immer schon inne hatte und der sie gerade dann vor Ansprüchen immunisiert, wenn Bürgerinnen und Bürger mit ihr in Konflikt geraten. Offenbar war es den Ministerpräsidenten letztendlich doch zu heiß, der Öffentlichkeit ein X für ein U vorzumachen und die GEZ lediglich umzubenennen.
Ohne Kontrolleinrichtung geht es auch bei der Haushalts- und Betriebsstättenabgabe nicht. Doch sind die datenschutzrechtlichen Kollateralschäden gegenüber dem bisher bestehenden gerätebezogenen Modell immens. Denn künftig wird es großer Kontrollanstrengungen bedürfen, gerichtsfest festzustellen, wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte beginnt und wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte aufhört. Ist z.B. eine Wohngemeinschaft ein Haushalt oder besteht sie aus mehreren Haushalten? Sind Untermieter oder volljährige Kinder mit eigenem Zimmer in der elterlichen Wohnung gebührenpflichtig? Die Gebührenbeauftragten der Sender wird es also weiter geben. Und wenn diese an der Haustür mit ihren Recherchen aufhören, dann können sie in Zukunft von den Vermietern Auskunft über die Haushalte in ihren Objekten verlangen, auch das ist neu.
Die GEZ verwandelt sich damit faktisch in eine »Supermeldebehörde«, kritisiert der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig. Eine Zustimmung bzw. Unbedenklichkeitserklärung zu dieser Form der Haushaltsgebühr durch die Landesdatenschutzbeauftragten liegt bisher nicht vor. Da hilft auch das von ARD und ZDF beim ersten Bundesdatenschutzbeauftragten Hans Peter Bull in Auftrag gegebene Datenschutz-Gutachten nicht weiter. Bull schlägt vor, weitere Daten zu erheben. So sollen die Handwerkskammern ihre Unternehmensadressregister an die GEZ übermitteln. Dass aber bedeutet nichts anderes, als dass der Datenschutz künftig nicht aus der Sicht der Gebührenzahler interpretiert wird, sondern aus der der Rundfunk-Anstalten.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!